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Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 21/2022

Ist gebongt, oder?

alte RegistrierkasseDie Frage ist zweideutig, aber mit der Kursive wird sie eindeutig. Gemeint ist hier natürlich, ob die Schreibung korrekt ist. Und ja, sie ist es. Aber wirklich richtig sieht das Wort nicht aus, oder? Woran das liegt, ist einfach. Zum einen schreiben wir selten die Floskel ist gebongt – eher nur in digitalen Mitteilungen, denn es handelt sich um eine umgangssprachliche Wendung. Zum anderen handelt es sich um ein recht betagtes Wort nicht nur, weil bongen wohl auch eher an der Kasse mündlich geäußert wird (und hier eher einbongen), sondern auch deshalb, weil der Vorgang heute nicht mehr ganz zutrifft. Früher tippte man zwar tatsächlich die zu zahlenden Beträge ein und dies wurde auf dem Bon vermerkt, heute aber wird an der Kasse doch eher ein Artikel eingescannt. Aber muss es dann nicht gebont und bonen geschrieben werden? Nein, aber tatsächlich führt das (schon recht alte) Große Wörterbuch der deutschen Sprache noch bonen auf. Wer sich in Österreich aufhält, ist fein raus: Dort heißt es bonieren – und hier hat ein g keine Chance. (23. Mai 2022; Foto: Viviane Monconduit)

KW 20/2022

»Fernsehen und Regierung lügen – Nein zum Krieg«

SpitzhackeDiese und weitere Anti-Kriegs-Botschaften waren im russischen Satellitenfernsehen am 9. Mai, dem wohl wichtigsten Feiertag Russlands, zu lesen. Dies war natürlich nicht von oben diktiert worden, sondern eine Aktion von Hacktivisten. Diese Wortkreuzung ist aus Hack(er) + Aktivist gebildet, sie bezeichnet also politische Proteste mittels Computer und ist sowohl mündlich als auch schriftlich von Interesse: Wie wird das Wort ausgesprochen? [haktivɪst] oder [hæktivɪst]? Sicherlich könnte das Wort aus H[ack] + Aktivist gebildet sein, doch ist mit Hack + [Ak]tivist natürlich mehr ausgesagt, die Bedeutung ist transparent. Und da es sich weder um eine Hacke noch um Hack[fleisch] handelt, sondern um Hacking, wird es auch englisch ausgesprochen – und mit ck geschrieben. Ein bekanntes Hacktivismus-Kollektiv ist übrigens »Anonymous«, dem schon viele Taten zugeschrieben worden sind. Ob diese wie bei Robin Hood Verurteilung oder Applaus verdienen, ist eine viel schwierigere Frage als die hier behandelte. (16. Mai 2022; Foto: Carola68)

KW 19/2022

Ess oder iss? Wenn Befehl, dann korrekt!

Junge Frau mit dunklen Haaren beißt in einen grünen ApfelIss den Apfel ruhig! Oder: Ess den Apfel ruhig? Klar, die Grundform des Verbs lautet essen, also heißt die Befehlsform ess? Obwohl man diese Form häufig hört, ist die einzig korrekte Imperativform iss. Doch warum eigentlich? Auch im Präsens Indikativ Singular heißt es zwar ich esse, aber du/er isst. Wir haben es hier mit einem typischen Fall von e/i-Wechsel zu tun. Die meisten starken Verben mit dem Stammvokal e, aber auch ä und ö, haben ein i oder ie in der 2. und 3. Person Singular Präsens sowie auch im Imperativ Singular. Dieser e/i-Wechsel beruht auf einer Vokalhebung. Entsprechend lautet der Imperativ von geben eben gib, von bergen entsprechend birg sowie von bewerben folglich bewirb und von lesen lies. Die Verben bewegen, denken, gären, stecken, weben, gehen und stehen haben den e/i-Wechsel aufgegeben oder gar nie gehabt. Bei schwachen Verben gibt es grundsätzlich keinen e/i-Wechsel. Schließlich noch ein Wort zum Verb gebären: Es heißt du gebierst, der Imperativ (den man aber wohl nur äußerst selten braucht) lautet gebär oder gebäre, die Form gebier ist ebenfalls möglich, sie gehört allerdings dem gehobenen Sprachregister an. Alles klar? Wenn nicht: Lies es dir noch einmal in Ruhe durch und iss etwas währenddessen. (09. Mai 2022; Foto: PublicDomainPictures)

KW 18/2022

Annexion oder wieder Deannexion

Das Schwalbennest im Süden der Schwarzmeer-Halbinsel KrimIm aktuellen Wortschatz findet sich das Wort Annexion. Es handelt sich um einen Gallizismus, also ein Lehnwort, das aus dem Französischen kommt – und dort wurde es aus lateinisch annectere ›an-, verknüpfen‹ entlehnt. Hätte die deutschsprachige Gemeinschaft es direkt aus dem Lateinischen entlehnt, würde sie es womöglich heute Annektion schreiben, doch im Französischen schreibt es sich nun mal annexion bzw. als Verb annexer. Schon 2014 war Annexion ungewöhnlich oft in Gebrauch, als die ukrainische Halbinsel Krim annektiert, also gewaltsam und widerrechtlich zu russischem Gebiet erklärt worden ist. Dasselbe droht nun mit dem Donbas und Südosten der Ukraine. Doch eines steht für die Briten fest: »Die Ukraine wird gewinnen. Die Ukraine wird frei sein«, sagt Premier Johnson am 3. Mai 2022 in einer Videoansprache. Ob es in diesem Fall in Bezug auf die Krim zu einer Deannexion kommt, also einer Umkehr der Annexion von 2014 (vgl. Elsaß-Lothringen), wird sich zeigen. Zu wünschen ist es der Ukraine in jedem Fall. (02. Mai 2022; Foto: Irina Rassvetnaja)

KW 17/2022

Trekking, Trecker, Trigger. Alles ganz vertrackt?

Mann beim Trekking in den Bergen mit toller AussichtEine mehrtägige Wanderung oder Fahrt, unter Umständen auch durch ein unwegsames Gebiet, meist auch im Hochgebirge, nennt man Trekking, aber auch seltener Trecking. Das Wort wurde aus dem Englischen entlehnt, to trek bedeutet ›eine (mühsame) Reise machen‹. Das englische Wort wiederum geht auf das Wort trekken im Afrikaans zurück, es stammt aus dem Niederländischen und Plattdeutschen und bedeutet ›etwas ziehen‹. Im Deutschen gibt es noch mehr Wörter, die ebenfalls diesen Ursprung haben. Ein Trecker war im 17. Jahrhundert noch ein Schiffszieher, die heutige Bedeutung ›Zugmaschine, Schlepper‹ ist seit der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts gebräuchlich (der Traktor hat dieselbe Bedeutung und geht auf lateinisch trahere (tractum) zurück, das ebenfalls ›ziehen, schleppen‹ bedeutet). Während man beim Wort Trekking die Wahl hat zwischen der Schreibung mit Doppel-k (diese Variante ist allerdings gebräuchlicher) und ck, ist Trekker nicht korrekt. Schließlich geht auch Trigger auf trekken zurück, genauer gesagt auf das niederländische trekker für ›Abzug, Drücker‹, wörtlich eben ›Zieher‹. Im Englischen wurde daraus tricker, später trigger; von dort gelangte das Wort dann ins Deutsche. Und wer jetzt denkt, das ist alles ganz schön vertrackt, der hat noch ein Wort mit derselben Wurzel gefunden. Die Partizipialform stammt vom mittelhochdeutschen Verb vertrecken in der Bedeutung ›verziehen‹ ab und ist nur noch als umgangssprachliches Adjektiv gebräuchlich, und zwar mit der Bedeutung ›verzwickt, unangenehm‹, aber auch ›schwierig, verworren, kompliziert und sich nicht leicht bewältigen, lösen lassend‹. (25. April 2022; Foto: NZKGB)

KW 16/2022

Gleichaltrige

Gleichaltrige JugendlicheSind Sie auch schon mal über das Wort gleichaltrig gestolpert? Wirklich -rig und nicht -ig? Einen solchen Wortbildungs-Bestandteil (Suffix) gibt es doch gar nicht!? Wenn Sie das so annehmen, liegen Sie richtig, denn -ig wie in nussig wandelt das Substantiv zum Adjektiv und nicht ein Suffix -rig, das im Deutschen nicht existiert. Aber das r gehört auch nicht zum Suffix, sondern zur Basis, dem Substantiv Alter – also Alter+ig und nicht *alt+rig. Dieses e in Alter kürzen wir ab, um das Wort nicht zu komplex und holperig/holprig, sondern angenehmer zu machen: Zum einen wird damit eine Silbe eingespart, zum anderen bildet das Wort damit einen typischen Trochäus (betont – unbetont). Dennoch könnten Sie auch gleichalterig oder die wiederum substantivierte Form Gleichalterige schreiben, wenn Sie die Struktur der Wortbildung hervorheben möchten. Sie können es aber auch als Gedächtnisstütze nutzen und die übliche Schreibweise ohne e verwenden. (18. April 2022; Foto: Alexas_Fotos)

KW 15/2022

Orchidee und Löwenzahn – welcher Typ sind Sie?

Kind inmitten von TulpenWenn Sie an Orchideen und Löwenzahn denken, kommt Ihnen vermutlich nicht auch gleich das in letzter Zeit so oft genannte Wort Resilienz in den Kopf. Doch? Dann haben Sie womöglich Kinder oder sind psychologisch geschult. Denn aus letzterer Disziplin stammt das Wort bzw. von lateinisch resilire ›zurückspringen‹ – und deshalb schreibt es sich auch nur mit einem l. Umschreiben könnte man Resilienz mit ›psychische Widerstandskraft‹, die einem Kind gegeben ist (Löwenzahnkind) oder nicht (Orchideenkind). Ist dies der Fall, kommen Kinder und Jugendliche mit stressigen Situationen (von Freundeskritik bis zur Trennung der Eltern) gut zurecht. In zahlreichen Studien ist allerdings ermittelt worden, dass das so einfach nicht ist, sondern dass sich einige bei einigen Konfrontationen mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen resilient zeigen, bei anderen dann aber nicht. Und ganz viele Kinder lassen sich nur mäßig beeinflussen (Tulpenkind). Kurz: Bei einer kleinen Gruppe ist Resilienz konstant, bei der größeren hängt es von der Situation ab. Kinder zu Resilienz zu erziehen, kann man versuchen; mit dem Kind gut umzugehen und es zu unterstützen, sollte aber schon viel Positives bewirken. (11. April 2022; Foto: Marjon Besteman)

KW 14/2022

Wir erklären es bestmöglich und nicht bestmöglichst

Bunte Buchstaben, die Wer sein Bestes gibt, macht seine Sache möglichst gut, so gut wie irgend möglich, kurz: bestmöglich. Das Adjektiv bestmöglich enthält einen Superlativ, und zwar best, der Superlativ von gut. Aus diesem Grund darf das Adjektiv nicht noch einmal gesteigert werden. Ein Text wird also mit bestmöglicher Genauigkeit verfasst und nicht mit bestmöglichster Genauigkeit. Diese Regel gilt generell, es ist unzulässig, beide Bestandteile eines Kompositums zu steigern: Komparativ- und Superlativformen im Erst- und Zweitglied sind nicht möglich. In der Folge spricht man also von höherwertigen (nicht höherwertigeren) Produkten, vom nächstliegenden (nicht nächstliegendsten) Bahnhof, von der meistgelesenen (nicht: meistgelesensten) Zeitung, von der höchstgelegenen (nicht: höchstgelegensten) Stadt und von dem meistgekauften (nicht: meistgekauftesten) Smartphone. Doch kommen wir auf bestmöglich zurück: Eingangs sagten wir, dass bestmöglichst nicht möglich ist. Möglichst ist der Superlativ von möglich und ein Adverb. Aufgrund der Regel, dass zwei Superlativformen nicht in einem Kompositum vorkommen dürfen, heißt es analog also auch frühestmöglich (nicht: frühestmöglichst), größtmöglich (nicht: größtmöglichst) und schnellstmöglich (nicht: schnellstmöglichst). Nun haben wir hoffentlich alles bestmöglich erklärt. (04. April 2022; Illustration: Prawny)

KW 13/2022

Warum heißt der Entbindungsraum eigentlich Kreißsaal?

Gerade geborenes Baby nach Kaiserschnitt im KreißsaalDer Entbindungsraum im Krankenhaus nennt sich Kreißsaal und nicht – wie man vielleicht vermuten könnte – Kreissaal. Auch wenn Schwangere vielleicht im Anfangsstadium der Geburt noch umhergehen, um die Geburt voranzutreiben, und vielleicht auch mal im Kreis gehen, hat der Kreißsaal nichts mit einem Kreis zu tun. Der erste Teil des Kompositums stammt vom Verb kreißen ab. Im Mittelhochdeutschen bedeutete krı̄ʒen so viel wie ›gellend schreien, kreischen, stöhnen‹. Im 17. Jahrhundert wurde das Wort nur noch auf das Schreien einer gebärenden Frau bezogen und es entwickelte folglich die Bedeutung ›in Geburtswehen liegen‹. Wer sich also merkt, dass der Ausdruck Kreißsaal auf kreißen zurückgeht, das übrigens auch mit dem Verb kreischen verwandt ist, weiß künftig auch, wie er geschrieben wird. In der eszettlosen Schweiz spricht man ohnehin von Gebärsaal bzw. Gebärzimmer, sodass kein Kreisssaal benötigt wird. Und wenn man sich nicht mehr sicher ist, wie Kreißsaal geschrieben wird, kann man auch im restlichen deutschsprachigen Gebiet auf Entbindungszimmer oder Entbindungssaal ausweichen. Das Verb entbinden in der Bedeutung ›gebären‹ existierte übrigens ebenfalls schon im Mittelhochdeutschen und bezieht sich auf das Abbinden der Nabelschnur des Babys. (28. März 2022; Foto: BabyMin)

KW 12/2022

Despot, Tyrann, Diktator

Autokraten Lenin, Stalin, Putin, Zar Nikolaus II.Für Despot können Sie sich eine Bedeutung aussuchen: ›unumschränkter Gewaltherrscher‹ oder ›herrischer, tyrannischer Mensch‹. Beides geht auf griechisch despótēs ›Herrscher; [Haus-]Herr‹ zurück und wird nicht erst seit der Invasion Russlands für dessen Machthaber verwendet, sondern auch schon lange davor. In diesem Kontext wird aktuell auch oft von Oligarchen gesprochen, die wirtschaftlich schwer wiegen und politisch mit nur wenigen anderen einflussreich herrschen (Oligarchie). Das aus dem Griechischen stammende olígos bedeutet hierbei ›wenig; gering‹ und árchein ›Führer sein‹. In diesen Kontext gehört noch das politisch kaum zu übertreffende Wort Diktator (von diktieren) sowie Tyrann ›Gewaltherrscher‹, das den Weg aus dem Griechischen über lateinisch tyrannus genommen hat. Die Unterschiede: gering; die Auswirkungen: enorm. Wie am Ukraine-Krieg zu sehen ist, kann in solchen Herrschaftsstaaten ein einzelner Mensch einen ganzen Planeten tyrannisieren. (21. März 2022; Foto: Roman Rasputin)

KW 11/2022

Embargo, Blockade, »Quarantäne«

Aufklärungsbild der U. S. Air ForceDas Wort Embargo ist wohl eher unproblematisch hinsichtlich seiner Orthografie, aber es ist ein Wort, das mal nicht (direkt) aus dem Griechischen, Lateinischen oder Englischen entlehnt ist. Schon im 19. Jahrhundert wurde es für die ›Beschlagnahme besonders von Schiffen bzw. ihren Frachten‹ verwendet und geht zurück auf das spanische Verb embargar ›in Beschlag nehmen; behindern‹. Diese Handelsblockade kann sich auf die Einfuhr oder auch Ausfuhr von vor allem Waren beziehen. Historisch beängstigend, im Jahr 2000 spannend in »Thirteen Days« verpackt, dürfte uns dies die Kubakrise von 1962 in Erinnerung rufen, in der John F. Kennedy nicht von einer Blockade (als kriegerischer Akt interpretierbar) sprach, sondern von einer »Quarantäne«. Das Embargo galt für die sowjetischen Mittelstreckenraketen, die Chruschtschow auf Kuba zu installieren beabsichtigte; verhindert werden konnte dies durch die stillschweigende Zusicherung der USA, ihre Atomraketen aus der Türkei zu entfernen. Parallelen zur heutigen Situation lassen sich durchaus ziehen. Leider sieht es aber nicht so aus, als könnte ein Gas- und Öl-Embargo oder eine Sternstunde der Diplomatie den offensichtlich nicht zu verhindernden Krieg in 13 Tagen beenden. (14. März 2022; Foto: U. S. Air Force)

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