14/2020

Lagerkoller

WutausbruchWer in diesen Tagen allzu viel im Homeoffice arbeitet oder gar unter Quarantäne steht, dem droht ein Lagerkoller. Eben dieses Wort prägt zurzeit die Berichterstattung über die Folgen der Isolierung. Die Schreibung dürfte nicht schwerfallen – doch was bedeuten eigentlich seine beiden Bestandteile? Mit Lager ist ›Unterkunft‹ gemeint, einen Koller hat, wer aufgrund der einschränkenden Lagergrenzen negative Emotionen zeigt, etwa Wut oder Zorn. Verarbeitet ist dies etwa in Fusseneggers Zeit des Raben, wo »sie der Koller des Alleinseins [überfällt], die wilde Lust […] auszubrechen«. Nicht ausbrechen kann man etwa auch aus einer Raumstation (Weltraumkoller) oder anderen engen Grenzen: Höhlenkoller, Höhenkoller, Bunkerkoller etc. Im Duden ist das Wort als umgangssprachlich ausgewiesen. Es geht zurück auf althochdeutsch kolero ›Wut‹, und wer hier schon ahnt, dass es – wie auch die epidemische Infektionskrankheit Cholera – auf griechisch-lateinisch choléra ›Gallenbrechdurchfall‹ zurückgeht, hat vollkommen Recht. Auf der sich herausbildenden Bedeutung ›galliges Temperament, Zornesausbruch‹ basiert übrigens auch das Wort cholerisch: hier allerdings immer noch mit ⟨ch⟩ geschrieben. Ein Trost zum Abschluss: besser eine Wahl zwischen Koller und Corona als zwischen Pest und Cholera. (30. März 2020; Illustration: Tikwa)


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