27/2020

Ein paar Wörter über ›gute‹ Worte

Lachender JungeMit der Redewendung »Kultur ist, was der Metzger hätte, wäre er Chirurg« hat uns Conrad Singer ein Bonmot beschert, also ein ›geistreich-witziges Wort‹ – Wort deshalb, weil Bonmot eine Zusammenziehung (Univerbierung) von frz. bon ›gut‹ und mot ›Wort‹ ist. Ausgesprochen und geschrieben wird die Wortverbindung französisch, also [bõˈmoː]. Mit diesem Wissen sollte das orthografische Wort keine große Herausforderung mehr darstellen, aber wie steht es mit dem semantischen (also der Bedeutung)? »Kürze ist des Witzes Seele«, soll William Shakespeare einmal gesagt haben, doch meinte er damit Einwort-Witze? Handelt es sich bei Bonmots nur um Äußerungen, die aus einem einzelnen Wort bestehen? Selbst mit der Beherzigung der Anregung Mark Twains »Was Adjektive angeht: Im Zweifelsfalle streiche sie aus« sollte ein Bonmot immer noch aus mehreren Wörtern bestehen. Und das ist auch gänzlich unproblematisch: Ein Wort hat nämlich (mindestens) zwei Bedeutungen, ein ›einzelnes (lexikalisches) Wort‹ und die ›Äußerung‹ (man denke etwa an das »Wort Gottes«). Beide Bedeutungen finden in dem jüdischen Sprichwort »Man soll Worte wägen, nicht Wörter zählen« ihren Niederschlag, an dem erkennbar ist, dass der Plural im Regelfall die Bedeutung spiegelt (Wort1/Wörter [selten Worte] vs. Wort2/Worte). In der zweiten Bedeutung ist also das Bonmot und auch das dt. Pendant Scherzwort zu verstehen. — Wenn Sie jetzt denken, dass diese Trennung aber nicht immer sauber vorgenommen wird, dann liegen Sie nicht schlecht: Der berühmte Satz »Ein Bild sagt mehr als tausend Worte« sollte eigentlich Wörter enthalten. (29. Juni 2020; Foto: StockSnap)


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