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Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 36/2020

Über Gebühr

(Über-)Sterblichkeit in Deutschland durch COVID-19Exzesse werden mitunter mit etwas Positivem verbunden, obwohl sie Kopfschmerzen oder Reue erzeugen. Gänzlich negativ konnotiert sind sie allerdings im Fall der Sterblichkeit. Exzess-Mortalität bezeichnet in der Demografie die Sterblichkeitsrate, die über dem zu erwartenden Mittelwert liegt: von lat. ex-cedere ›über ein bestimmtes Maß hinausgehen‹. Spätestens seit Corona ist uns diese als Übersterblichkeit bekannt. Wem die Wortbildung ungewöhnlich bis inkorrekt erscheint, dem geht es nicht anders als dem Autor, doch liegt dies nicht an der Struktur, sondern eher an der nachdenklich machenden Bedeutung; ein Blick auf ähnlich gebildete Wörter zeigt, dass man so verfahren kann (alle Beispiele haben übrigens leider etwas mit Übersterblichkeit zu tun): Übergewicht, Überängstlichkeit, Überbeanspruchung. Nur selten wird von Untersterblichkeit gesprochen (die es natürlich ebenso gibt), eher noch von Unsterblichkeit. Letztere gibt es allerdings leider nicht außerhalb der Heldenwelt, die bekanntlich nur in der Jugend, in größter Entfernung zur Sterblichkeit also, nicht als Fiktion einsortiert wird. Auf den letzten Metern schaffen wir es noch zu einem Tipp: Statt exzessiv/übertrieben lässt sich auch über die/alle Maßen (›über-/unmäßig‹) oder über Gebühr (›mehr als einem zusteht‹) verwenden – Letzteres immer ohne Artikel oder adjektivisch als ungebührlich. (31. August 2020; Screenshot: Statistisches Bundesamt)

KW 35/2020

Wenn die Gästin der Grünin vom Koryphäer erzählt

Brüder Jacob und Wilhelm GrimmEin heißes Eisen, das wir hier anfassen, aber wir schmieden es wie immer sachlich. Bei einem solchen Einstieg kann es sprachbezogen ja nur um Fremdwörter oder das Gendern gehen – und tatsächlich: um Letzteres. Natürlich muss sich ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch erst einmal finden – abzulesen an Baerbocks Steuer*innenzahler. Fahrerin, Steuerzahlerin, prima. Doch muss man wirklich Gästin bilden? Gast hat doch kein -er am Ende. Zweifelsohne sind hier ebenso Zweifel berechtigt wie bei Herrin, Menschin, frau (zu man) und einigen mehr. Gästin etwa, so ist mancherorts zu lesen, sei schließlich schon im Grimm’schen Wörterbuch (*1854) aufgeführt – was nicht weiter verwunderlich ist, da die Brüder ehrgeizigst jedes Wort aufzunehmen beabsichtigten, das sie nur irgendwo belegt fanden (s. u.). Ebenso fraglich ist die Bauherrin, da inkonsistent insofern, als das enthaltende Herr eindeutig auf einen Mann referiert. Sinnvoll ist es auch hier, Alternativen zu prüfen; so könnte das im südlichen Sprachraum weit verbreitete Bauherrschaft als Lösung in Betracht gezogen werden. Ob auch Baufrau ein passendes Gegenstück sein könnte, möge man (und eher nicht frau, sondern jede(r)) selbst entscheiden. Tatsächlich ist man von Mann abgeleitet, doch ist die Sprachgeschichte nicht immer eine gute Beraterin, da wir dann auch Menschin bilden müssten und mit »Du bist toll!« eine Ohrfeige ernten würden (ahd. tol ›dumm, töricht‹). Wer Gast und Mensch gendert, müsste eigentlich auch Feminina wie Zicke oder Koryphäe gendern (der Zickerich, Koryphäer?; vgl. Hexer). Belegt sind auch Kälbinnnen, Deutschin und Grüninnen (wortschatz.uni-leipzig.de): Das Neutrum von Kalb bedarf keiner weiteren Erläuterung und substantivierte Adjektive müssen natürlich nicht gegendert werden: der/die Grüne, das sind die guten Alternativformen geschlechtergerechten Sprachgebrauchs. Aber die Linke-Ratsfraktion in Flensburg beantragte 2016 sogar die Einführung von Papierkörbinnen und Computerinnen im Rathaus, zog den Antrag aber wieder zurück – das war im wahrsten Sinne Politik. Sicher ist: Gendergerechter Sprachgebrauch erfordert zuweilen Zeit und Kreativität. Im Gender-Wörterbuch auf www.genderator.app finden sich viele Vorschläge für gendergerechte Formen sowie alternative Formulierungen, die eine Hilfestellung beim Gendern bieten. (24. August 2020; Illustration: Gordon Johnson)

KW 34/2020

Gendersternchen im Duden-Verlag

Dudenredaktion als »Herausgeber*in«Die 28. Auflage des Rechtschreib-Dudens ist da. Ebenfalls die Absage der Gesellschaft für deutsche Sprache an das Gendersternchen. Verbunden werden die beiden – nicht für alle – freudigen Ereignisse durch die Dudenredaktion, die im Shop mit Sternchen als Herausgeber*in geführt wird. Anlass zu einem Tipp gibt, dass der besagte Band sich im Untertitel als »umfassende[s] Standardwerk auf der Grundlage der aktuellen amtlichen Regeln« versteht – doch der Genderstern ist durch die amtlichen Regeln keineswegs gedeckt, sondern neben Unterstrich, Doppelpunkt und anderen Symbolen, die die Zeichensätze so hergeben, nicht zugelassen. Sicherlich hätte der Verlag Herausgeber/-in schreiben können. Warum aber nicht gleich zu dem greifen, was wirklich zutrifft: die Redaktion(die) Herausgeberin? Der Autor bezeichnet sich auch nicht als Autor/-in und Sie gewiss nicht als Mensch/-in. Natürlich ist uns bewusst, dass dies auch technischen Anforderungen geschuldet ist, denn jeder herausgebenden oder schreibenden Person müsste schließlich ein Geschlecht (Sexus) oder zumindest ein Genus zugewiesen werden. Für ein solches Ausweichen hat man ergo durchaus Verständnis, doch ist es ja so, dass viele Menschen große Anstrengungen auf sich nehmen, um geschlechtergerecht oder gar geschlechterneutral zu schreiben. So wäre es auch möglich und schön, Verknüpfungen über Phrasen wie mehr Bücher von dieser Herausgeberin und weitere Titel von diesem Autor zu realisieren. Und es hätte durchaus etwas im Regelkonformen und ohne Aufwand gegeben: mehr von diesem Herausgeberteam. – Ach ja: Wenn Sie oben über Mensch/-in gestolpert sind, taten Sie dies zu Recht. Mit solchen auffälligen und fraglichen Formen beschäftigen wir uns im Tipp der nächsten Woche. Wer sich bis dahin mit gendergerechten Formen und Formulierungen befassen möchte, findet im Genderwörterbuch auf www.genderator.app einige Anregungen. (17. August 2020; Screenshot: Torsten Siever)

KW 33/2020

Hauptsache erfrischend: Köpper/Köpfer/Köpfler

Köpper, Kopfler oder Köpfer – in jedem Fall erfrischendBei den aktuellen Temperaturen stellen wir alles zurück, was nichts mit gekühlten Getränken, Eis, See-, Pool- und Meerwasser zu tun hat. Der Pool soll hier allerdings nicht im Zentrum stehen, wobei wir ihn gleich mitbehandeln können, wo er sich doch nun schon in unserem Kopf festgesetzt hat. Wie allseits bekannt sein dürfte, handelt es sich bei Pool um ein Kurzwort zu Swimmingpool, das von engl. swimming pool entlehnt wurde (engl. pool ›Teich‹). (Kein Orthografie-Tipp: Sollten Sie spontan an die Anschaffung eines größeren Schwimmbeckens gedacht haben, reservieren Sie sich am besten ein etwaiges Restexemplar im Baumarkt – Klimawandel und Coronavirus haben für größere Engpässe gesorgt.) Doch zurück zum eigentlichen Ansinnen: In einem größeren Pool lässt sich mit dem Kopf zuvorderst das kühle Nass erfahren mit einem Köpper oder Köpf(l)er. Die umgangssprachlichen Begriffe dürften vor allem in sozialen Medien mit triumphierenden Belegfotos zu lesen sein. Zugrunde liegt der Kopf(sprung) und hiervon reduziert die erste Silbe oder regional-umgangssprachlich Kopp. Auch im Fußball sind übrigens Köpfer und Köpfler (luxemb. Käpper) in der Bedeutung ›Kopfball‹ üblich. Belassen wir es bei über 30 Grad aber lieber beim Gedanken an den Kopfsprung als an den Rasensport. Gute Erfrischung! (10. August 2020; Foto: Hans Braxmeier)

KW 32/2020

Ernsthaft Tschewaptschitschi?

Ćevapčići oder Cevapcici, aber nie alleinMöchte man die serbisch-kroatische Delikatesse am Tresen bestellen oder jemandem eine Eigenherstellung anbieten, ist man fein raus. Beim Aufschreiben eines Rezeptes hingegen beginnt das Problem schon mit dem ersten Buchstaben. Wer sich auf die Regel »Schreibe, wie man spricht« verlässt, kann sich zwar auf das Duden-Fremdwörterbuch, 4. Auflage 2007, beziehen und tatsächlich Tschewaptschitschi schreiben. Doch ist dies nicht ganz unproblematisch, da man im Wörterverzeichnis des Rats für deutsche Rechtschreibung nur unter C fündig wird. Auch im offiziellen Regelwerk ist bei Fremdwörtern für [tʃ] kein ⟨tsch⟩ aufgeführt. Anders als das früher einmal zulässige *Majonäse hat es Tschewaptschitschi also womöglich niemals offiziell gegeben. Ergo bleibt nur noch Cevapcici, so man auf die Aussprachekennzeichnung (Diakritika) verzichtet. Will man diese erhalten, muss man auf ein paar Sonderzeichen zurückgreifen, um Ćevapčići zu realisieren – und zeigt sich dafür als chef de cuisine und chef de l’orthographe in einem. Wenn Sie sich übrigens fragen, a) ob das Cevapcici ein Pluralwort ist und b) wie denn ein einzelnes Röllchen heißt, haben Sie a) recht und b) die falsche Einstellung; die Röllchen sind so klein und schmackhaft, dass die singuläre Form einer einsamen Minirolle ganz und gar nicht vorstellbar ist. Zudem handelt es sich hierbei schon um die Verkleinerungsform (Diminutiv) von Ćevapi – das übrigens nicht nur klanglich zur Kebab-Familie gehört, vgl. bulgarisch кебапче (Kebabtsche). (03. August 2020; Foto: RitaE)

KW 31/2020

Hiatus, der (metamorphosierte)

Sprecher-PauseEinen Hiatus kann man nicht essen, nicht riechen und auch nicht fühlen, wohl aber hören. Zumindest in der Musik, denn ein Hiatus entspricht hier einer »übermäßigen« Sekunde, also etwa von C auf Dis. Auch in der Sprachwissenschaft gibt es den Hiat(us), den man hören und auch wieder nicht hören kann, denn er entsteht üblicherweise beim Zusammentreffen zweier Vokale oder Konsonanten, die die Aussprache erschweren (Ko-ordinate): eine Pause also. In vielen Fällen wird deshalb der Hiat zu umgehen versucht, im Französischen etwa bei *la amie durch lamie, bei *le amis durch les amis. Im Deutschen führen nun einige (etwa Moderatorinnen und Moderatoren) einen Hiat bewusst ein, um eine Grenze zu markieren – und zwar die der Geschlechter. Da man für Freund*innen weder Freundinnen schreiben noch [frɔɪ̯ndɪnɛn] sprechen kann, weil dies (männliche) Freunde ausgrenzen würde, markiert man zunehmend den schriftlichen Stern beim Sprechen mit einer Pause (Freund-innen). Das ist eine beeindruckende Anstrengung entgegen jedem Ökonomiebestreben, allerdings ökonomischer als Freundinnen und Freunde zu äußern. Natürlich gibt es wie immer einen Haken: Der Genderstern wird meist von Screenreadern nicht als Hiat gelesen, sondern als Freund-Sternchen-in oder Freund-Asterisk-in und teilweise sogar ignoriert, sodass man nur die weibliche Form hört (Freundin). Um Barrierefreiheit von Texten gewährleisten zu können, sind deshalb einige auf den Gender-Doppelpunkt umgestiegen: Freund:in. Noch hat der Rat für deutsche Rechtschreibung aber ohnehin keine Freigabe erteilt, womit * und Lautung (noch?) auf tönenden, wollte sagen: tönernen Füßen steht. (27. Juli 2020; Foto: Roché Oosthuizen)

KW 30/2020

Zwischen Bitten und Befehlen

Appell zum Maskentragen und AbstandhaltenVon einem Appel (niederdeutsch für Apfel) und Apple (Technologiekonzern) unterscheidet sich ein Appell erheblich: schon durch die Betonung der zweiten Silbe. Daraus könnte man schließen, dass das Wort mit nur einem p auszustatten ist. Doch wie so oft hilft ein Blick auf die Herkunft: Das Substantiv ist abgeleitet vom Verb appellieren, das mit noch kürzerem a ausgesprochen wird und auf lat. appellare ›um Hilfe anrufen‹ zurückgeht. Appelle bewegen sich zwischen Bitte, Aufforderung und Befehl. In der Regel appelliert eine Person an eine andere, etwas zu tun oder nicht zu tun. Die Bundesregierung appelliert zurzeit an die gesamte Gesellschaft, sowohl etwas zu tun (Maske tragen, Abstand einhalten) als auch zu unterlassen (singen, tanzen, demonstrieren), die WHO sogar an die ganze Welt. Appelle dieser Art sind ungern gesehen und führen mitunter zu Polizeieinsätzen – dann handelt es sich nicht mehr um Bitten. Befehlende Appelle finden sich durchgängig beim Militär, hier etwa in Form einer ›Versammlung von Soldaten‹. Appelle gibt es zudem auf der Jagd oder als Tanzfigur, aber interessant ist vor allem der Weg, den das lateinische Wort über das Französische ins Englische genommen hat. Hier hat frz. appel[er] in Form von appeal auch die Bedeutung ›jmdm. zusagen‹, also die »Bitte« um Attraktivität, die man nicht ausschlagen kann. Im Deutschen als Sexappeal entlehnt, hat das Wort heute jedoch stark an Attraktivität verloren. (20. Juli 2020; Illustration: cromaconceptovisual)

KW 29/2020

Den ham wa uns verdient …

Strand auf einer Karibik-Insel mit HängekorbGrooveminister haben 1995 mit einer sehr ähnlichen Zeile ihres Refrains viel Zustimmung und Geld verdient. Verdienen kann man also nicht nur eine Entschädigung für geleistete Arbeit, sondern auch Reaktionen oder Beurteilungen wie Respekt oder Dank. In seinem Text hat sich das Rapminister-Duo infolge seiner Arbeit verdient, endlich Feierabend zu machen. Und wir? »Ham wa [ebenfalls] genug gemacht«? Und haben wir uns nicht ein wenig mehr verdient? Na klar, denn die Urlaubszeit legt nahe, dass man vorher längere Zeit durchgearbeitet hat und nun endlich in den wohl verdienten Urlaub gehen kann. Auf diese Weise sollten Sie Ihren freundlichen Mitmenschen allerdings keine Urlaubswünsche übermitteln. Denn während ein wohlverdienter Urlaub ein ohne Zweifel zu Recht erworbener ist, wird mit wohl verdienter Urlaub ein mutmaßlich gerechtfertigter bezeichnet, an dessen Zubilligung der eine Kollege oder die andere Kollegin womöglich Zweifel hegt. Die Getrenntschreibung wäre also zwar kein orthografischer Fehler, vielleicht aber ein strategischer durch den Ausdruck sozialer Missbilligung. Aber auch die muss man sich manchmal erst verdienen. (13. Juli 2020; Foto: pasja1000)

KW 28/2020

Lecker, lecker, lecker

Tetrapack mit Aufschrift Wer freut sich im Sommer nicht über ein gekühltes leckeres Getränk? Oder über leckeres Essen vom Grill? Alles, was im deutschen Sprachraum lecker ist, ist ›besonders wohlschmeckend‹, und in der Tat geht das Adjektiv auf das Verb lecken zurück. Speisen und Getränke können natürlich auch lecker aussehen oder lecker erscheinen, ohne lecker zu schmecken, und nur, weil lekker (im Niederländischen wird es so geschrieben!) oder lecker draufsteht, muss etwas natürlich noch lange nicht lecker schmecken. Während das Adjektiv im Deutschen hauptsächlich im gustatorischen Bereich verwendet wird, kennen die Niederländer auch een lekker babytje. Damit ist zwar gemeint, dass sie das Baby zum Fressen gernhaben, weil sie es ›süß‹ finden, aber wenn die Niederländer een lekker bad nehmen, probieren sie natürlich nichts vom Badewasser, sondern genießen einfach ihr wohliges Bad. Spätestens beim lekker weer, also beim herrlichen Wetter, dürfte klar geworden sein, dass im Niederländischen damit generell angenehme Dinge gemeint sind. Im Duden findet sich allerdings mit dem Vermerk Übertragung, bildlicher Gebrauch der Eintrag ein leckeres (nett anzusehendes) Mädchen, und Mädchen wiederum kann man ja tatsächlich auch zum Fressen gernhaben. (06. Juli 2020; Foto: Christina Siever)

KW 27/2020

Ein paar Wörter über ›gute‹ Worte

Lachender JungeMit der Redewendung »Kultur ist, was der Metzger hätte, wäre er Chirurg« hat uns Conrad Singer ein Bonmot beschert, also ein ›geistreich-witziges Wort‹ – Wort deshalb, weil Bonmot eine Zusammenziehung (Univerbierung) von frz. bon ›gut‹ und mot ›Wort‹ ist. Ausgesprochen und geschrieben wird die Wortverbindung französisch, also [bõˈmoː]. Mit diesem Wissen sollte das orthografische Wort keine große Herausforderung mehr darstellen, aber wie steht es mit dem semantischen (also der Bedeutung)? »Kürze ist des Witzes Seele«, soll William Shakespeare einmal gesagt haben, doch meinte er damit Einwort-Witze? Handelt es sich bei Bonmots nur um Äußerungen, die aus einem einzelnen Wort bestehen? Selbst mit der Beherzigung der Anregung Mark Twains »Was Adjektive angeht: Im Zweifelsfalle streiche sie aus« sollte ein Bonmot immer noch aus mehreren Wörtern bestehen. Und das ist auch gänzlich unproblematisch: Ein Wort hat nämlich (mindestens) zwei Bedeutungen, ein ›einzelnes (lexikalisches) Wort‹ und die ›Äußerung‹ (man denke etwa an das »Wort Gottes«). Beide Bedeutungen finden in dem jüdischen Sprichwort »Man soll Worte wägen, nicht Wörter zählen« ihren Niederschlag, an dem erkennbar ist, dass der Plural im Regelfall die Bedeutung spiegelt (Wort1/Wörter [selten Worte] vs. Wort2/Worte). In der zweiten Bedeutung ist also das Bonmot und auch das dt. Pendant Scherzwort zu verstehen. — Wenn Sie jetzt denken, dass diese Trennung aber nicht immer sauber vorgenommen wird, dann liegen Sie nicht schlecht: Der berühmte Satz »Ein Bild sagt mehr als tausend Worte« sollte eigentlich Wörter enthalten. (29. Juni 2020; Foto: StockSnap)

KW 26/2020

Der Halbmast

Fahne auf halbmast zur TrauerDie Angelegenheit mit dem Halbmast ist nur auf den ersten Blick kompliziert. Wenn man eine Fahne auf einen Halbmast – oder halben Masten – setzen würde, würde sie tatsächlich ganz oben geflaggt (der Mast wird halbiert, dann aufgestellt und dann beflaggt). Gemeint ist jedoch, dass sie nur auf die halbe Höhe des Mastes (engl. eindeutiger half-mast) hinaufgezogen wird. Damit kann der *Halbmast also gar nicht großgeschrieben werden, da er in dieser Form als Substantiv gekennzeichnet wäre. Vielmehr handelt es sich um ein Adverb. Wenn Sie also schon bei der Überschrift gestutzt haben, sind Sie entweder ziemlich rechtschreibfit oder womöglich Seefahrer. In der Seemannssprache (oder politisch korrekter: Seeleutesprache) ist nämlich neben halbmast auch das Wort halbstocks gebräuchlich (irisch maide ›Stock‹), das über das -s am Ende die Deutung als Adverb recht nahelegt. Folglich setzt man Fahnen auf halbmast, wenn offiziell Trauer signalisiert werden soll, und eben nicht auf Halbmast. (22. Juni 2020; Foto: wgappens5)

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