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Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 16/2020

Exit

EXIT Notausgang EmergencyVor dem drohenden griechischen (Grexit) und dem erfolgten britischen EU-Austritt (Brexit) führte das Wort Exit ein doch eher unauffälliges Dasein – etwa in Weiß auf kleinen grünen Tafeln als Hinweis auf einen Notausgang. Zurzeit sorgt das Wort für größeren Enthusiasmus, da es für einen Ausweg bzw. unterschiedlichste Auswegszenarien aus einer dem so genannten Lockdown verwendet wird, der zu virtuellen Kaffeepausen im Homeoffice und Zerreißproben um Klopapier geführt hat. Beim Kampf um den Hygienezellstoff ist man geneigt, an Gewalt zu denken, was uns direkt zur Karwoche und damit zum Exitus führt, das von lat. exitus ›Ausgang; (Lebens)-Ende‹ stammt und das wiederum die Basis für den Exit bildet (über engl. exit). Die Karwoche endet allerdings mit der Osternacht, die mit der Auferstehung Jesu Christi verbunden ist – der Schlüsselszene des Christentums, in der die Freude wieder die Oberhand gewinnt. Dies wäre auch für die Zeit nach Ostern zu wünschen, in der der viel diskutierte Lockdown-Exit eingeläutet werden soll, damit die Menschen endlich wieder das Wort Exit in Weiß auf kleinen grünen Tafeln lesen können; dort passt es nämlich besser als beim Lockdown, der doch eher schrittweise zurückgefahren als aus ihm schlagartig ausgestiegen wird. (13. April 2020; Infografik: Clker-Free-Vector-Images)

KW 15/2020

Ein Mundschutz kommt selten allein!

Schaufensterpuppe mit einem handgenähten MundschutzAktuell wird überall diskutiert, ob Masken getragen werden sollten, und es wird vermutet, dass selbst genähte Masken andere Personen vor einer Infektion schützen. In Österreich gibt es eine Maskenpflicht beim Einkaufen, in Deutschland empfiehlt das RKI nun auch, selbst gebastelte Mundschutze zu tragen. Oder Mundschütze? Wir haben es hier mit einem Variantenphänomen zu tun, mit arealer Variation. Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass der Plural dieses Wortes generell ungebräuchlich ist, alternativ kann man von Mundschutzmasken sprechen. Schütze als Mehrzahl von Schutz ist im Duden als »besonders schweizerisch« verzeichnet. Darüber hinaus scheint man die umgelautete Pluralform teilweise auch im süddeutschen Raum zu verwenden. Wenn man übrigens von Mundschutz spricht, sind medizinische Masken gemeint, die selbst hergestellten Masken werden Community-Masken, Behelfsmasken, DIY-Masken und Behelfs-Mund-Nasen-Masken genannt. (06. April 2020; Foto: Jessica Borges)

KW 14/2020

Lagerkoller

WutausbruchWer in diesen Tagen allzu viel im Homeoffice arbeitet oder gar unter Quarantäne steht, dem droht ein Lagerkoller. Eben dieses Wort prägt zurzeit die Berichterstattung über die Folgen der Isolierung. Die Schreibung dürfte nicht schwerfallen – doch was bedeuten eigentlich seine beiden Bestandteile? Mit Lager ist ›Unterkunft‹ gemeint, einen Koller hat, wer aufgrund der einschränkenden Lagergrenzen negative Emotionen zeigt, etwa Wut oder Zorn. Verarbeitet ist dies etwa in Fusseneggers Zeit des Raben, wo »sie der Koller des Alleinseins [überfällt], die wilde Lust […] auszubrechen«. Nicht ausbrechen kann man etwa auch aus einer Raumstation (Weltraumkoller) oder anderen engen Grenzen: Höhlenkoller, Höhenkoller, Bunkerkoller etc. Im Duden ist das Wort als umgangssprachlich ausgewiesen. Es geht zurück auf althochdeutsch kolero ›Wut‹, und wer hier schon ahnt, dass es – wie auch die epidemische Infektionskrankheit Cholera – auf griechisch-lateinisch choléra ›Gallenbrechdurchfall‹ zurückgeht, hat vollkommen Recht. Auf der sich herausbildenden Bedeutung ›galliges Temperament, Zornesausbruch‹ basiert übrigens auch das Wort cholerisch: hier allerdings immer noch mit ⟨ch⟩ geschrieben. Ein Trost zum Abschluss: besser eine Wahl zwischen Koller und Corona als zwischen Pest und Cholera. (30. März 2020; Illustration: Tikwa)

KW 13/2020

Homeoffice

Arbeit im HomeofficeHeimarbeit, Arbeit von Zuhause, Arbeit am heimischen Arbeitsplatz – für die Arbeit in den eigenen vier Wänden gibt es eine Vielzahl an Bezeichnungen. Zurzeit ist vor allem das Homeoffice beliebt, in das vom Coronavirus bedrohte Arbeitskräfte geschickt werden. Gemeint ist damit allerdings nicht die Arbeit als solche, sondern der Arbeitsort. Homeoffice arbeiten ist folglich eine unzulässige Phrase, korrekt hingegen ist im Homeoffice arbeiten oder vom Homeoffice aus arbeiten. Dank Vernetzung ist das heimische Büro heutzutage auch außerhalb von Coronazeiten keine Seltenheit mehr: Zahlreiche Business-Tools und die Anbindung ans Unternehmensnetz (mittels VPN) ermöglichen die Arbeit in kleinen und großen Teams, was nebenbei auch noch die Umwelt schont. Hinsichtlich der Schreibweise kann man wählen zwischen der mit und ohne Bindestrich: Homeoffice vs. Home-Office, das Gleiche gilt für Homeschooling vs. Home-Schooling. Die Getrenntschreibung wie bei Fake News jedoch ist für die beiden genannten Wörter nicht möglich. Anders als im Englischen, wo komplexe Wörter (Komposita) häufig getrennt geschrieben werden, dürfen im Deutschen selbst Wörter wie Verkehrsinfrastrukturabgabe kein Leerzeichen enthalten. Vor dem Hintergrund ihrer Länge werden solche Wörter übrigens auch Bandwurmwörter genannt … ja, Bandwürmer haben ebenfalls Wirte und sind (nicht-viral) übertragbar, Bandwurmwörter sind jedoch gänzlich ungefährlich. (23. März 2020; Foto: Free-Photos)

KW 12/2020

Quarantäne

Segelschiff auf rauher SeeWomöglich können auch Sie Wörter wie COVID und Quarantäne nicht mehr hören, doch ist ein sprachlicher Blick auf Letzteres durchaus lohnenswert! Wie Quark, quetschen und quengelig handelt es sich auch bei Quarantäne um ein Wort, das mit ⟨qu⟩ und nicht mit ⟨k⟩ geschrieben wird, obwohl alle Wörter mit dem Laut [k] beginnen. Während bei den anderen Wörtern ein [v] folgt: [kvark], schließt sich bei Quarantäne direkt der Vokal an; nur selten wird fälschlicherweise ein [u] ›eingeschleust‹: [kua…]. Das [u] ist der Schreibung geschuldet, entbehrt allerdings einer Grundlage, was die Herleitung zeigt, die perfekt als Eselsbrücke taugt: Das Wort, das im 17. Jahrhundert von frz. quarantaine entlehnt worden ist, geht auf quarante ›vierzig‹ zurück. Dass die französische Vier mit ⟨qu⟩ geschrieben wird, dürfte ebenso bekannt sein wie die Aussprache nur mit [k]. Doch worin besteht eigentlich die Verbindung zwischen der 40 und der Isolierung von Menschen? Quarante spielt auf eine Zeitspanne von ›vierzig (Tagen)‹ an, während der die pestverdächtigen Matrosen an Bord ihres Schiffes verbleiben mussten, bevor sie den Hafen betreten durften – um also eine bakterielle Unversehrtheit zu belegen. Zwar sind es heute keine 40 Tage mehr, die eine Quarantäne umfasst (bei COVID-19 sind es 14), doch hilft die Erinnerung an die quarante, das Wort Quarantäne korrekt schreiben – und aussprechen – zu können. (16. März 2020; Foto: ArtTower)

KW 11/2020

Abseits dieser Welt

Axt im WaldeHinterwäldler sind eine besondere Spezies, die sich als ›weltfremd‹ beschreiben ließe. Und mit der Eigenschaftsumschreibung ist das Problem auch schon benannt: Handelt es sich bei dieser ›Gattung‹ um Hinterweltler, die ›hinter der Welt‹, also abseits der hiesigen Welt leben, oder werden damit Hinterwäldler bezeichnet, die nicht etwa schon im nächsten Wald, sondern in noch viel größerer Wildnis leben, als dies der nächstgelegene Wald bedingen würde? Da die zivile Raumfahrt noch in den Kinderschuhen steckt, ist Letzteres wahrscheinlicher. Sicherheit liefert schließlich ein Blick auf die Herkunft: Als backwoodsman wurde ein Ansiedler im Osten Nordamerikas jenseits des Alleghenygebirges verspottet, der folglich allzu weit von der Zivilisation entfernt wohnte. In solchen Lehnwortfällen spricht man von Lehnübersetzungen (wie Wolkenkratzer von ebenfalls engl. skyscraper). Anders als das humorvolle Wort für ein Hochhaus sollte das wenig schmeichelhafte Wort Hinterwäldler nur in wohl überlegten Fällen gebraucht werden – vermutlich ohnehin eher in Abwesenheit der so bezeichneten Person. (09. März 2020; Foto: stevepb)

KW 10/2020

Epidemie/Pandemie

Globale Verbreitung des Sars-CoV-2 (Stand: 28.02.2020)Über kaum ein Phänomen wird derzeit mehr diskutiert als über die Lungenerkrankung COVID-19. Kein Wunder: Nach nur zwei Monaten hat sich das verantwortliche Virus quer über den Globus verteilt. Für eine solche Verbreitung gibt es das aus dem Griechischen stammende Wortbildungselement (Präfix) pan- (von pãn), das ›ganz, gesamt; alles‹ bedeutet. So gibt es etwa panamerikanisch (›ganz Amerika betreffend‹) oder – in Bezug auf Erreger – pandemisch. Von einer Pandemie spricht man folglich, wenn ein Erreger nicht auf eine Region beschränkt ist, wie dies bisher bei Ebolaviren der Fall gewesen ist, sondern transkontinental oder gar weltweit verbreitet ist. Bei zeitlich wie räumlich begrenzten Vorgängen handelt es sich ›nur‹ um eine Epidemie (nicht Epedemie). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert eine Pandemie als »worldwide spread of a new disease«. Apropos, auch wenn dies über einen sprachlichen Tipp hinausgeht: Tastaturen und Smartphones gehören zu den ganz großen »Keimschleudern«. Sollten Sie also ein Desinfektionstuch griffbereit haben, wäre nCoV (so der Virusname) ein guter Anlass, eine Reinigungspause einzulegen … sie ist ganz sicher im Sinne des Arbeitgebers. (02. März 2020; Screenshot: John Hopkins University CSSE)

KW 9/2020

Helau und alaaf!

Narren an einem Faschingsumzug mit Schriftzug In der Karnevalszeit grüßt man sich je nach Region anders. Die Narrenrufe helau und alaaf sind in Deutschland besonders bekannt. Bei der Interjektion helau, die man vor allem in Mainz hört, ist der Ursprung nicht ganz klar. Es wird gemutmaßt, dass der Ausruf auf einen Hirtenruf zurückgehen könnte, manche meinen, er sei auf Halleluja zurückzuführen und schließlich wird auch der Ursprung Hölle auf vermutet. Teilweise wird übrigens auch hellau geschrieben, der Duden führt jedoch nur helau auf. Gemeint ist damit, wie auch mit alaaf, ›hoch!‹ oder ›hurra!‹. Der rheinische Karnevalsruf alaaf ist seit dem 17. Jahrhundert bekannt und ist auf kölnisch all-af zurückzuführen, was ›alles ab‹ bedeutet. Entsprechend wäre eigentlich die Schreibung allaf zu erwarten, doch der Aussprache entsprechend ist laut Duden nur alaaf zugelassen. Gemeint ist damit entweder ›alles andere weg‹ oder ›alles unter Köln, Köln über alles.‹ In diesem Sinne wünschen wir allseits einen schönen Rosenmontag! (24. Februar 2020)

KW 8/2020

Hilfe! Die Narren kommen wieder!

Zwei Narren mit Masken winkel fröhlich dem Publikum zuKarneval, Fas(t)nacht, Fasching, kurz: Die närrische Zeit, die tollen Tage stehen wieder vor der Tür! Viele Narren streichen dann wieder durchs Land! Und wenngleich man sie auch nur selten allein sieht: Wie sieht es mit nur einem Narren aus? Heißt es des Narrs oder des Narren? Das Substantiv Narr wird schwach flektiert, der Genitiv lautet entsprechend des Narren (und so lautet übrigens jede Form außer dem Nominativ Singular). Wir wünschen allen Närrinnen und Narren eine närrische Zeit! (17. Februar 2020; Foto: Couleur)

KW 7/2020

Hoffentlich keine Coronavirus-Infektion

Bild von einem Virus in grüner Farbe, mit Schriftzug Wer hat zurzeit keine Sorge, sich mit dem Coronavirus zu infizieren? Aber wer hat Sorge, in einem solchen Satz einen Fehler zu begehen? Wenn man davon ausgeht, dass der Satz so korrekt geschrieben ist, kann Coronavirus – da es im Dativ Singular steht – sowohl ein Neutrum als auch ein Maskulinum sein. Heißt es also das Virus oder der Virus? In der Fachsprache verwendet man ausschließlich das Virus, doch in der Standardsprache ist auch der Virus korrekt. Und wie ist das mit dem Verb infizieren? Ab und zu wird fälschlicherweise »infiszieren« geschrieben, vermutlich in Anlehnung an das ähnlich klingende konfiszieren. Während konfiszieren auf das lateinische Verb confiscare zurückgeht, was so viel wie ›in der Kasse aufheben‹ bedeutet (darin steckt das Wort fiscus für ›Geldkorb‹), ist infizieren vom lateinischen Verb inficere abgeleitet, das ›hineintun‹ bedeutet. Denn wenn eine Krankheit übertragen wird, man sich ansteckt, gelangt ein Virus in den Körper. Gegen manche Krankheiten hilft desinfizieren, gegen andere hingegen müssen stärkere Maßnahmen ergriffen werden. Es bleibt uns also nur zu wünschen: Gesund bleiben! (10. Februar 2020)

KW 6/2020

Glämmer oder Glemmer?

GlamourösUm es vorwegzunehmen: keines von beidem. Aber der Reihe nach ... Am Wochenende ist es wieder soweit: Der wohl bekannteste Filmpreis der Welt wird wieder verliehen. Was uns erwartet: Unmengen an Leinwandgrößen, -gesten und -glamour. Nein, aufgrund der Aussprache könnte man versucht sein, ⟨Glemmer⟩ oder ⟨Glämmer⟩ zu schreiben, doch hat das Wort ebenso wenig mit Lemma wie mit Lämmern gemein. Vielmehr dreht sich wie beim Oscar selbst alles um glamouröse Schauspieler/-innen meist aus dem englischen Sprachraum. Daher schreibt sich das Wort auch nicht mit einem Doppelkonsonanten – also gänzlich anders, als man vermuten könnte. Wie gut, dass sich dies am deutschen Adjektiv schön zeigt – was sich somit als Eselsbrücke eignet, denn im Gegensatz zum Substantiv wird es abweichend vom Englischen eher mit einem langen [a] artikuliert. (03. Februar 2020; Foto: burnnet)

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