Wissen

Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 48/2019

Ideologie oder Idiologie?

Logik und Kreativität im HirnDer alte Mann in Peter Bichsels Kurzgeschichte »Ein Tisch ist ein Tisch« hat keinen Namen, dafür eine aus der Alltäglichkeit erwachsene Form von Idiolalie – eine eigen(artig)e Sprache, die nur er verstehen kann, denn dem Bett sagte er eines Tages nicht mehr »Bett«, sondern »Bild«, dem Tisch »Teppich« und so weiter. Das erste Wortbildungselement idio- bedeutet ›eigen-(artig) oder sonder-(bar)‹ und würde damit eine vorzügliche Eselsbrücke für Ideologie abgeben, wenn dieses Wort nicht korrekt mit e zu schreiben wäre. Die nicht tragfähige Brücke ist aber nicht tragisch, denn das zum Verwechseln ähnliche ideo- bedeutet ›Idee, Begriff, Vorstellung‹ und liefert damit selbst auch eine schöne Brücke (ide[o] wie Idee), denn eine Ideologie umfasst eine ganze Menge Ideen und Vorstellungen/Begrifflichkeiten – wenn auch nicht die besten. Beide Konfixe sind übrigens seltene Instrumente: Am bekanntesten dürfte der Idiot sein, der etwas oder jemanden als ›eigen(artig) oder sonder(bar)‹ kennzeichnet; weniger bekannt dürfte der linguistische Terminus Idiom ›feste Wortfolge‹ oder das zumindest außerhalb der Schweiz nicht so geläufige Idiotikon sein: das Mundartwörterbuch des Schweizerdeutschen. (25. November 2019; Foto: ElisaRiva)

KW 47/2019

Der oder das Hashtag?

Sprechblase mit Hashtag und Herz sowie Ausschnitt des Instagram-LogosSeit 2007 gibt es auf Twitter Hashtags, seit 2009 sind die Schlagworte, denen ein Rautezeichen vorangestellt ist, auch verlinkt und können entsprechend zur Suche resp. Filterung genutzt werden. Das Wort Hashtag ist ein Kompositum aus den englischen Wörtern hash für ›Rautezeichen‹ und tag für ›Strukturzeichen (ein sichtbares Zeichen zur Strukturierung eines Textes)‹. Seit 2017 steht Hashtag im Duden und dort kann man auch nachlesen, dass es sich dabei um ein Neutrum handelt. Schaut man allerdings in Korpora wie dem Wortschatz Uni Leipzig nach, stellt man schnell fest, dass in der Sprachpraxis das Wort zumeist als Maskulinum verwendet wird. (18. November 2019; Foto: Ariapsa)

KW 46/2019

Basler in Baselland

Wappen der Kantone Basel-Stadt und BasellandWer noch nicht auf der Basler Herbstmesse war und gerne noch hingehen möchte, hat dazu heute und morgen die letzte Gelegenheit. Basler Leckerli hingegen kann man das ganze Jahr über essen. Das indeklinable Adjektiv Basler wird in der Schweiz nur so verwendet, im restlichen deutschsprachigen Raum ist laut Duden jedoch auch die Variante Baseler zugelassen. Das gleiche gilt auch für die Einwohnerbezeichnung. Basler ist aber nicht gleich Basler: Die einen wohnen in Basel-Stadt, die anderen in Basel-Landschaft. Oft wird für Letzteres die Kurzform gewählt, doch Achtung: Hier kommt kein Bindestrich zur Anwendung, korrekt ist die Schreibweise Baselland. Übrigens hat das im norddeutschen Sprachraum verbreitete landschaftliche verbaseln für ›vergessen‹ oder ›verlieren‹ nichts mit Basel zu tun. Das Verb stammt aus dem mittelniederdeutschen vorbasen, das auf basen für ›unsinnig reden/handeln‹ zurückgeht. Wer jetzt beim Lesen dieses Tipps an die Basler Fasnacht gedacht hat, dem sei gesagt: Am 11.11. um 11 Uhr 11 ist zwar Fasnachtsbeginn, aber nicht in Basel, sondern nur in den vorwiegend katholischen Gegenden. (11. November 2019)

KW 45/2019

»Als als« oder »denn als«?

Fotobeweis«Als Trainer ist man in einer anderen Position als als Spieler.» Als Sie diesen Satz gerade eben gelesen haben, sind Ihnen bestimmt die vielen «als» aufgefallen. Und vielleicht haben Sie sich auch gefragt, ob der Satz denn korrekt ist. Ist er das? Zumindest falsch ist «als als» nicht, doch in der gehobenen Sprache vermeidet man solch unschöne Doppelungen, weshalb es etwa auch nicht Zaubererin lautet, sondern Zauberin (Stichwort Haplologie). Für das erste «als» wird stattdessen das ansonsten als veraltet geltende «denn» verwendet: «Als Trainer ist man in einer anderen Position denn als Spieler.» Und was ist mit der folgenden Variante? «Als Trainer ist man in einer anderen Position wie als Spieler.» Auch wenn solche Varianten immer mal wieder in der Umgangssprache zu hören sind, sind sie standardsprachlich nicht korrekt. (04. November 2019)

KW 44/2019

Vogel-Strauß-Politik

Vogel Strauß, PortraitaufnahmeWenn jemand eine Gefahr nicht sehen oder wahrhaben will, wird dies »Vogel-Strauß-Politik« genannt. Dem Ausdruck liegt die falsche Annahme zugrunde, der Strauß stecke bei drohender Gefahr seinen Kopf in den Sand. Was die Schreibung betrifft, so greift hier die Regel, dass man bei Aneinanderreihungen zwischen die einzelnen Wörter (und auch Buchstaben, Ziffern, Abkürzungen) Bindestriche setzt: »Latte-macchiato-Glas«, »A-Dur-Tonleiter«, »400-m-Lauf« oder »ETH-Professor«. (28. Oktober 2019)

KW 43/2019

Börek, Salami, Mortadella

Europäische SpeisekarteBörek ist nicht nur in Deutschland beliebt. Das türkische Nationalgebäck ist auch auf dem Balkan (als Bourek, Burek, Byrek und griech. Pita/πίτα) weit verbreitet, wird aber nirgends mit ck geschrieben. Gefüllt wird die Spezialität mit Käse, Gemüse oder Fleisch – in muslimischen Regionen in der Regel natürlich nicht mit Schweinefleisch. Auf der nebenstehenden Speisekarte einer Schule wird auch Salami ohne Schweinefleisch angeboten (eigentlich natürlich großgeschrieben, Pute). Wer denkt: »Das geht doch nicht, das darf doch dann gar nicht mehr als Salami bezeichnet werden!«, hat nur zum Teil recht; zumindest muss (wie hier) vermerkt werden, wenn sie nicht aus Schwein und/oder Rind hergestellt wurde. Ursprünglich wurde für die Salami (ital. salame ›Salzwurst‹, das i kennzeichnet den Plural) jedoch gar kein Schwein verwendet, sondern Esel/Maultier. Bei Mortadella sieht es da schon schwieriger aus: Pute in Mortadella ist in den »Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse« nicht vorgesehen und würde die Italiener wohl auch nicht begeistern, aber man handelt hier gewissernaßen salamikonform durch Ausweisung (vom Standard) abweichender Zutaten. (21. Oktober 2019; Foto: Torsten Siever)

KW 42/2019

Fremdsprachig oder fremdsprachlich?

FotobeweisHerbstferienzeit ist Reisezeit! Viele reisen noch einmal in den Süden, wo sie mit Fremdsprachen in Kontakt kommen. Vor Ort kann man fremdsprachige Zeitungen lesen oder fremdsprachige Filme schauen und die Fremdsprachenkompetenz verbessern. Fremdsprachig bedeutet ›sich in einer fremden Sprache bewegend‹ oder ›eine oder mehrere Sprachen sprechend, in einer oder mehreren Sprachen‹. Analog dazu gebildet sind die Adjektive einsprachig, mehrsprachig oder deutschsprachig. Fremdsprachlich dahingegen heißt ›eine fremde Sprache betreffend‹ oder auch ›zu einer fremden Sprache gehörend, daraus kommend‹. So gibt es fremdsprachlichen Unterricht und fremdsprachliche Wörter im Deutschen. Andere Adjektive, die auf -sprachlich enden, sind altsprachlich, umgangssprachlich oder schriftsprachlich. (14. Oktober 2019)

KW 41/2019

Von Koteletts und Koteletten

Das Kotelett – Ähnlichkeit mit dem Backenbart?Offen gesagt: Wir würden das Kotelett am liebsten auch Kottlett schreiben – hat es doch ein kurzes, offenes O [ɔ] und ist damit prädestiniert für einen nachfolgenden Doppelkonsonanten. Da es aber von frz. côtelette, wörtlich ›Rippchen‹, entlehnt worden ist, will es von der Gemeinschaft offensichtlich noch herkunftsnah geschrieben werden, jedenfalls ist die Schreibung noch nicht vollständig an die deutsche Orthografie angepasst worden. Immerhin das K schien aber überzeugend, das sowohl für das zu bratende Fleischstück als auch für den Frisurstil angewendet wird (doch, doch: wegen seiner »Ähnlichkeit« mit einem Kotelette). Allerdings dürfte nicht allgemein bekannt sein, dass die Koteletten (hier nicht im Sinne des Fleischvielfachs, sondern in der liebevoll-erheiternden Bezeichnung Backenbart) nicht einheitlich benannt werden: Die einen sagen Backenbart, die anderen Wangenbart. Hier tobt ein Streit zwischen Medizinern und Sprachbewussten, ob die Gesichtspartie denn Backe oder Wange heißt – auch, um sie abzugrenzen: Die *Powange gibt es jedenfalls nicht. (07. Oktober 2019; Foto: RitaE)

KW 40/2019

Chlor, chloro-..., gechlort geklärt

Bunte Farbenpracht mit Herz und ohne ChlorophyllIm Herbst wird’s bunt. Dabei sind die Farben schon viel früher da, doch im Herbst werden die Chlorophylle abgebaut, die für das frische Grün sorgen (gr. chlōrós ›gelblich grün‹), das die anderen Farben überlagert. Die griechische Herkunft ergibt die Schreibweise mit ch und ph und nicht *Klorofyll. Auch in anderen Wörtern wird die Schreibweise beibehalten, auch wenn es nicht ganz richtig ausschaut: chloren, gechlort, chlorig. Grund ist hier natürlich, dass die Wörter vom chemischen Element Chlor (Cl) abgeleitet sind – also leicht zu merken. Ein Fallstrick ist aber Chlorid vs. Chlorit: Gänzlich chlorfrei ((Fe,Mg,Al,Zn)6(Si,Al)4O10(OH)8), aber grünlich, sind einige Chlorite, eine ansehnliche Mineralgruppe. Chlorit gibt es allerdings auch als chlorbasiertes Salz. Üblicherweise wird für Chlorverbindungen jedoch Chlorid verwendet. Mit Natrium verbindet sich beides, was tunlichst nicht verwechselt werden sollte: Natriumchlorid rundet jedes Essen ab, Natriumchlorit (ein Bleichmittel) ist schwer verdaulich und explosiv. (30. September 2019; Foto: Rebekka D)

KW 39/2019

Kroki oder Croquis?

Skizze Stadt VerkehrWer kennt das Fremdwort für ›Plan‹, ›einfache Geländezeichnung‹ oder ›künstlerische Skizze‹? Und wer weiß außerdem, wie es geschrieben wird? Der Duden empfiehlt die Schreibung Kroki, daneben ist aber auch die dem französischen Original entsprechende Schreibung Croquis korrekt. Das Wort geht auf das französische Verb croquer für ›skizzieren‹ zurück. (23. September 2019)

KW 38/2019

Adieu, Dekolleté

Kleidungsstücke mit vielen unterschiedlichen Kragen und LängenDie Herbsttage kommen und mit ihnen die Stoffmengen. Und dennoch werden nicht alle Hautpartien überzogen – dank Dekolleté. Wörtlich bedeutet das aus dem Französischen entlehnte Wort ›Halskragen‹, was schon darauf hinweist, dass es nicht die Hautpartie unterhalb des Halses bezeichnet, sondern den Ausschnitt im Kleid(ungsstück). Insofern ist eine Aussage wie Sie hat ein schönes Dekolleté nicht ganz treffend; korrekter wäre Ihr Kleid hat ein schönes Dekolleté. Im Duden wird allerdings der Push-up-BH als »ein üppiges Dekolleté formender BH« beschrieben, was so gar nicht zum Kleidungsausschnitt passen mag. Offensichtlich sind wir inmitten eines semantischen Wandels bzw. neben dem ›Ausschnitt‹ kommt eine weitere Bedeutung zu: die ›Hautpartie‹. Wenn es kalt wird, spielt diese Feinheit aber ohnehin keine Rolle – dann wird beides mit einem Schal bedeckt. Doch kommen wir endlich zur Schreibung, der allerdings das Atemberaubende fehlt, da man hier – anders als bei einem übermäßigen Dekolleté – kaum etwas falsch machen kann: Neben Dekolleté ist auch Dekolletee zulässig und in der Schweiz – ganz ohne Anpassung der Schreibweise – auch Décolleté. (16. September 2019; Foto: Kaz)

Noch mehr Tipps?