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Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 38/2019

Adieu, Dekolleté

Kleidungsstücke mit vielen unterschiedlichen Kragen und LängenDie Herbsttage kommen und mit ihnen die Stoffmengen. Und dennoch werden nicht alle Hautpartien überzogen – dank Dekolleté. Wörtlich bedeutet das aus dem Französischen entlehnte Wort ›Halskragen‹, was schon darauf hinweist, dass es nicht die Hautpartie unterhalb des Halses bezeichnet, sondern den Ausschnitt im Kleid(ungsstück). Insofern ist eine Aussage wie Sie hat ein schönes Dekolleté nicht ganz treffend; korrekter wäre Ihr Kleid hat ein schönes Dekolleté. Im Duden wird allerdings der Push-up-BH als »ein üppiges Dekolleté formender BH« beschrieben, was so gar nicht zum Kleidungsausschnitt passen mag. Offensichtlich sind wir inmitten eines semantischen Wandels bzw. neben dem ›Ausschnitt‹ kommt eine weitere Bedeutung zu: die ›Hautpartie‹. Wenn es kalt wird, spielt diese Feinheit aber ohnehin keine Rolle – dann wird beides mit einem Schal bedeckt. Doch kommen wir endlich zur Schreibung, der allerdings das Atemberaubende fehlt, da man hier – anders als bei einem übermäßigen Dekolleté – kaum etwas falsch machen kann: Neben Dekolleté ist auch Dekolletee zulässig und in der Schweiz – ganz ohne Anpassung der Schreibweise – auch Décolleté. (16. September 2019; Foto: Kaz)

KW 37/2019

Hollandaise

Werbetafel für Speisen eines RestaurantsEs ist Pfifferlingzeit! Die edlen Pilze sind teure Delikatessen, die nur wenige von sich wegschieben würden. Aber mit Sauce hollandaise? Auch die Grundlage ist wohl eine Geschmacksfrage. Keine Geschmacksfrage hingegen ist die Schreibung der Soße. Sie kann tatsächlich großgeschrieben werden, wenn sie als Kurzform verwendet wird (wie die Holländische). Als Adjektivattribut muss sie allerdings kleingeschrieben werden (wie auch Pommes[,] rot-weiß). Daneben wäre noch interessant, wie es zur (zumindest sprachlich inkorrekten) Mischung von Lehnwort (dt. Soße) und Fremdwort (frz. hollandaise) gekommen ist? Eine verständliche Erklärung wäre, dass die Bedienung die eigenwillige Mischung von Pfifferlingen und Sauce hollandaise sprachlich abbilden wollte oder dem Koch pfiffig mitteilen wollte, wie sie zu der ihrer Ansicht bedauernswerten Zusammenstellung steht. Ob mit oder mit abbestellter Hollandaise – wir wünschen eine schmackhafte Pilzsaison und guten Appetit! (09. September 2019; Foto: Torsten Siever)

KW 36/2019

Unterzeichneter

FotobeweisWer eine Unterschrift unter ein Dokument setzt, ist ein Unterzeichneter oder eine Unterzeichnete. Doch woher stammen diese Namen für ›Unterzeichner‹ bzw. ›Unterzeichnerin‹? Die Ausdrücke wirken passivisch, haben jedoch eine aktivische Bedeutung. Sie stammen von dem alten reflexiven Verb sich unterzeichnen für ›unterschreiben‹ ab (vgl. analog dazu ein Verliebter bzw. eine Verliebte zu sich verlieben). Ein Unterzeichneter ist also ein Mann, der sich unterzeichnet hat. In Zeiten der Gendergerechtigkeit könnte man argumentieren, die Pluralform die Unterzeichnenden wäre die beste Lösung, doch das Partizip I kann streng genommen nicht verwendet werden, da ein Dokument oder Brief ja weder während des Schreibens noch während des Lesens unterzeichnet wird. Der Nominalausdruck Unterzeichner kann grundsätzlich synonym zu Unterzeichneter verwendet werden, aber nicht, wenn es um eine Verbindung mit links oder rechts geht. In diesem Fall gibt es sowohl die Möglichkeit der rechts / links Unterzeichnete als auch der Rechtsunterzeichnete / Linksunterzeichnete. (02. September 2019)

KW 35/2019

Karrosserie oder Karosserie?

FotobeweisWie nennt man den Aufbau von Kraftwagen oberhalb des Fahrgestells? Karrosserie oder Karosserie? Das Wort geht auf das lateinische carrus für ›Wagen‹ bzw. das französische carrosserie zurück, entsprechend würde man erwarten, dass die Variante mit zwei r korrekt ist. Doch in diesem Fall hilft die Etymologie in Bezug auf die Schreibung leider nicht: Im Deutschen wird Karosserie schon lange nur noch mit einem r geschrieben. (26. August 2019)

KW 34/2019

Mehr nah ist nicht näher

Werbeposter von e@sy CreditStreng genommen haben Sie Recht: Ein Orthografieproblem ist das nicht; aber das Mitleid mit dieser allzu nahen Person war einfach zu groß. Und so thematisieren wir auch mal ein sprachvergleichendes Problem. Die englische Sprache bildet das »Mehr« an etwas (den Komparativ) nämlich nicht nur mit der Endung -er (happier), sondern auch mit more, wenn etwa die Adjektive vielsilbig sind (more difficult). Die deutschen Sprachteilnehmer wollen dem offensichtlich nicht nachstehen und so wird der Komparativ mitunter formal entsprechend gebildet: mehr sonnig, mehr verantwortlich oder eben mehr nah. Verständlich ist, dass Werbung über Sprachunregelmäßigkeiten auffallen soll, aber da scheint ein Foto doch erfolgversprechender. Oder mehr Erfolg versprechend? Wie auch immer: Seien Sie mehr offen für Sprachwandel – oder auch kritischer! ;-) (19. August 2019; Foto: Torsten Siever)

KW 33/2019

Touristen und die Verhinderung von Schlimmerem (auf dem Steg)

Betreten des Steg[']s[,] verbotenÜber die Funktion eines Verbotsschildes muss in der Regel nicht lange diskutiert werden. Dass allerdings auch die Orthografie zur Abschreckung eingesetzt wird, gehört nicht zum Standardrepertoire eines Ordnungshüters. Der Apostroph springt als Erstes ins Auge (auch weil er typografisch keiner ist), aber es handelt sich mal nicht um einen sogenannten Deppen-Apostroph. Warum nicht? Beim Deppen-Apostroph wird nichts ausgelassen (*Ulli’s Frittenbude), aber beim Genitiv (und Dativ) kann in vielen Fällen ein e stehen oder eben auch weggelassen werden – da ist die deutsche Sprache mal ziemlich liberal: des Stegs/Steges. Es ist nicht korrekter, das e zu realisieren, weshalb es (anders als bei hab’s) keine Reduktion darstellt und deshalb ein »Fehlen« auch nicht angezeigt werden muss.

Jetzt aber zum Komma, das die meisten auch noch entdeckt haben dürften. Auch wenn das Subjekt ein bisschen komplexer ist (Das Betreten von X/Y), wird dahinter trotzdem kein Komma gesetzt, da es keinen Einschub oder Nebensatzattribut gibt (aber: Das Betreten […] der Boote, die durchaus dazu einladen mögen, ist …). Wer sich noch immer nicht an die See sehnt, dem sei versichert: Ein Komma muss auch hinter der (etwas längeren) Phrase

Das Betreten des Anlegestegs im Olgahafen am Dümmer und aller der dort im Sommer liegenden schönen Boote ist …

nicht stehen. Abseits der Orthografie ist da noch ein anderer Umstand merkwürdig: Zuerst werden Worte an die Gäste gerichtet und diese erst dann begrüßt. Das ist sicherlich nicht die Ursache für den überschaubaren Tourismus am Dümmer, aber eine Umstellung wäre dennoch treffender. (12. August 2019; Foto: T. Siever)

KW 32/2019

Eindeutschungen

FotobeweisDer Wortschatz einer Sprache ist stets bunt gemischt, das Deutsche enthält viele Ausdrücke aus anderen Sprachen. Diese Wörter werden in den Kernwortschatz integriert und dabei oftmals ans Deutsche angepasst. Dies kann beispielsweise die Aussprache betreffen, aber auch die Schreibweise eines Fremdwortes wird häufig an die Orthographie des Deutschen angepasst. So schreiben wir beispielsweise heutzutage nicht mehr ›Bureau‹, sondern ›Büro‹, und ›meuble‹ wurde zu ›Möbel‹. Der Umlaut lässt uns fast denken, es könnte sich um urdeutsche Wörter handeln. Bei manchen Wörtern ist auch heute noch die französische Schreibung neben der eingedeutschten Schreibweise korrekt, so bei ›Portmonee‹ und ›Portemonnaie‹ sowie ›Soße‹ und ›Sauce‹. Der Duden empfiehlt bei ›Portemonnaie‹ die französische Schreibweise, bei ›Soße‹ die ans Deutsche angelehnte mit Eszett. Wir sehen also, dass es ein natürlicher Prozess ist, dass Wörter mit der Zeit in eine Sprache integriert werden. Und darauf basiert die Schreibung des Eigennamens ›Bar dü Mar‹, bei dem analog zu ›Büro‹ Umlautpunkte gesetzt wurden, oder auch der Werbegag (nein, ›Gäg‹ ist noch keine korrekte Schreibung!) eines Autoherstellers, der sich laut Werbespot zur Feier des einhundertjährigen Bestehens statt ›Citroën‹ in Deutschland nun ›Zitrön‹ nennt. Das wirkt auf Sie so absurd wie ›Schofför‹, ›Butike‹, ›Majonäse‹ oder ›Nessessär‹? Ja, Sie sind nicht die einzigen, die lieber weiterhin ›Chauffeur‹, ›Boutique‹, ›Mayonnaise‹ und ›Necessaire‹ schreiben. Diese eingedeutschten Schreibweisen, die bei der Rechtschreibreform eingeführt wurden, stießen auf so wenig Akzeptanz, dass sie vom Rechtschreibrat bzw. von der Dudenredaktion wieder zurückgenommen wurden und somit aktuell nicht mehr korrekt sind. (05. August 2019)

KW 31/2019

Geschlechter(un)gerechtigkeit

Geschlechtergerechte Sprache? - Weit gefehlt.Nichts bringt die Geschlechterungerechtigkeit und die verzweifelten Bemühungen, die deutsche Sprache »gendergerecht« zu gestalten, besser auf den Punkt als Stellenanzeigen. Da ist gesetzeskonform von (m/w/d) zu lesen, gesucht wird aber ein(e) Sachbearbeiter/-in (auch gefunden: eine Erzieherin (m/w/d)). Es ist nicht an uns zu sagen, ob und wie man gendern sollte, aber ob man überhaupt nur könnte, das ist etwas, das uns beschäftigt. Unzählige Texte, die wir lektorieren, enthalten »Studierende«, die zeitgleich von »Professoren« betreut werden. Doch selbst wenn das Urteil des EU-Gerichtshofes befolgt würde: Wie könnte man die zu »weiblich« und »männlich« hinzugefügte Kategorie sprachlich (akzeptabel) abbilden? Die deutsche Sprache – so viel steht fest – bietet hier gewisse Schwierigkeiten. Die Schweden haben dafür ein grammatisch neutrales Geschlecht eingeführt, weil sie es konnten (das Neutrum gab es schlichtweg noch nicht), doch im Deutschen gibt es das Es bereits – fatalerweise übrigens auch für weibliche Personen (Mädchen). Wäre ein viertes Genus eine Option – mit dem Umstand, dass ein neues Flexionsparadigma geschaffen werden müsste? Oder sollten wir gar einen einheitlichen Artikel einführen, wie dies die englische Sprache kennt: the man/woman/child? Wie auch immer der Weg beschritten wird: Aktuelle Stellenanzeigen folgen zwar der Rechtsprechung, aber nicht konsequenter Umsetzung (oder gar Logik). Schon hier zeigt sich Unsicherheit: Doppelnennung (Prüferin/Prüfer) vs. Ellipsenschreibung (Sachbearbeiter/in). Wäre zumindest für dieses Problem das Gendersternchen für alle *Sprachbewusst*innen ein Ausweg? Aber viel wichtiger: Wo ist jetzt unser Tipp? Hier kommt er: Wofür immer Sie sich entscheiden: Handeln Sie bitte einheitlich. (29. Juli 2019; Foto: Torsten Siever)

KW 30/2019

Wieso eigentlich nicht Hundetage?

Abkühlung an den HundstagenAn den Hundstagen (23.7.–23.8.) geht man vor die Hunde oder anders ausgedrückt: Die hochsommerliche Zeit und damit das Gegenteil von Hundewetter versetzt uns in eine Faulenzstimmung, die für Hunde ja nicht untypisch ist. Doch wenn es schon Tage wie für Hunde sind, warum heißt es dann nicht analog zu Hundewetter Hundetage, sondern Hundstage? Was sich hier unterscheidet, ist die sogenannte Fuge. Und Fugen sind leider alles andere als trivial zu erlernen/erklären, da sie uneinheitlich realisiert werden: manchmal passen sie zum Plural (Ärztehaus = Haus, in dem viele Ärzte wirken), manchmal aber auch nicht (Treppenstufe = Stufe einer Treppe), heute sind sie vor allem lautlich gesteuert und inhaltlich leer. Bei Hundstage ist zumindest die Eselsbrücke unkompliziert: Den Namen haben die heißesten Tage des Jahres nicht den Tieren zu verdanken, sondern einer Sternengruppe: dem Großen Hund. (In der genannten Zeit steht die Sonne beim Hundsstern im Sternbild.) Nun zur Begründung: Wahrscheinlich unterscheiden sich Hunde- und Hunds- in der Bedeutung: das erste wird für Unwürdiges gebraucht (der Hund als niedere, geprügelte Kreatur), das zweite für etwas Schlechtes. Das passt auch lautlich: Richtig Übles lässt sich mit einer kurzen (einsilbigen) Vorsilbe einfach besser wiedergeben als mit einer längeren: Hundewetter, hundemüde mit e-Fuge (und deshalb zweisilbig) vs. Hundskälte, hundsmiserabel mit s-Fuge. Dass zwei Varianten (Kompositionsstammformen) zur Bildung von Wörtern existieren, ist zum Glück selten (< 10 %). (22. Juli 2019; Foto: sevenpixx)

KW 29/2019

Minutiös = minutenweise?

Minutiöse GenauigkeitNein, mit Minuten hat minutiös oder minuziös unmittelbar nichts zu tun. Die alte Schreibung minutiös deutet aber noch an, woher das Wort stammt: aus dem Lateinischen, nämlich von minuere (minutum) ›verkleinern, verringern, vermindern‹. Gemeint ist damit eine ›peinliche Genauigkeit‹ oder gar ›Kleinlichkeit‹, also eine überaus genau genommene Gegebenheit. Die Minute entstand aus der Fügung pars minuta prima, die im Sexagesimalsystem des Ptolemäus (2. Jh. n. Chr.) den ersten »verminderten« Teil (bei einer durch 60 teilbaren Größe) bezeichnete. (15. Juli 2019; Foto: ThePixelman)

KW 28/2019

Rational oder rationell?

FotobeweisWas ist eigentlich der Unterschied zwischen den beiden Adjektiven rational und rationell? Rational bedeutet so viel wie ›von der Vernunft ausgehend‹ oder ›vernunftgemäß‹, rationell dahingegen heißt ›wirtschaftlich‹ oder ›zweckmäßig‹. Entsprechend kann es rationale Überlegungen und rationelle Methoden geben. Generell gilt für die Adjektivsuffixe -al und -ell, dass sie konkurrierend nebeneinander existieren. In einer Sprache existieren aber zumeist kaum Doppelformen, die gleichbedeutend sind; häufig wird entweder eine von zwei Varianten aufgegeben oder es kommt zu einer Bedeutungsdifferenzierung, wie auch bei rational und rationell: formal (auf die Form bezogen) – formell (die Umgangsformen beachtend, förmlich), ideal (den höchsten Vorstellungen entsprechend, vollkommen) – ideell (die Idee betreffend) oder real (vorhanden, wirklich) – reell (ehrlich, redlich). (08. Juli 2019)

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