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Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 30/2018

»Weißt du, wie viel Sternlein stehen?«

Fotobeweis»Weißt du, wie viel Sternlein stehen?«, so heißt es im bekannten Liedtext. Doch wie heißt es im weniger lyrischen Alltag? »Weißt du, wie viel Kartoffeln wir noch haben?« oder »Weißt du, wie viele Gurken wir noch haben?« Beides ist korrekt, im Plural kann sowohl die Form mit als auch ohne Flexionsendung verwendet werden – mit Ausnahme des Genitivs. Dort muss viel flektiert werden: »Wie vieler Beispiele mag es wohl bedürfen, um diese Regel zu erläutern?« Unabhängig vom Numerus wird wie viel immer getrennt geschrieben: »Wie viel(e) Personen wissen wohl, wie viel das kostet?« (23. Juli 2018)

KW 29/2018

Tiptop ist nicht tipptopp

FotobeweisUm es vorwegzunehmen: Es ist auch uns ein Rätsel! Aber beginnen wir vorne: Selbst in der Schweiz gilt tipptopp laut Duden als »umgangssprachlich« – und das, obwohl es dort viel gebräuchlicher ist als in Deutschland oder Österreich. Womöglich ist die Klassifizierung auch dafür verantwortlich, dass die Schreibung so außergewöhnlich ist. Denn nicht tiptop ist korrekt, sondern zwei Doppel-p, also tipptopp. Warum? ... Ja, warum eigentlich? In der Regel hilft ein Blick in die Geschichte (und zur Herkunft) weiter, doch da müssen wir Sie enttäuschen: Entlehnt ist das Wort aus dem Englischen, wo es tiptop geschrieben wird, denn top bedeutet ›höchst, oberst‹ und tip ›Spitze‹, also ›höchst spitze, tadellos‹. Und nun wird's richtig konfus: top wurde auch isoliert ins Deutsche entlehnt, mit einem p: Er ist top frisiert. Die Doppel-p-Schreibung muss folglich an tip liegen; doch hier gibt es im Deutschen nur den Tipp, der mit der Spitze nichts zu tun hat, sondern von engl. tip ›anstoßen, leicht berühren‹ kommt – es gibt ja auch schlechte Tipps. War das einer? Na, zumindest wissen Sie nun, wie man tipptopp schreibt – eben erstaunlicherweise nicht tiptop! (16. Juli 2018)

KW 28/2018

Bayerisch, bayrisch oder bairisch?

FotobeweisBei vielen stehen die Sommerferien vor der Tür oder sie haben bereits begonnen. Warum also nicht nach Bayern fahren, in den Bayerischen Wald zum Beispiel? Dort kann man bayrische Trachten bewundern, den Bayerischen Rundfunk und somit den bairischen Dialekt hören. Bayerisch, bayrisch und bairisch in einem Satz? Das Adjektiv zu Bayern lautet »bayerisch« oder »bayrisch«. Die erstgenannte Variante wird in der Standardsprache und bei offiziellen Namen bevorzugt: die bayerische Regierung. Großgeschrieben wird das Adjektiv, wenn es Bestandteil eines geografischen Namens ist: »die Bayerischen Alpen«. »Bairisch« schließlich bezieht sich auf den Dialekt resp. die Sprache, die sowohl in Bayern als auch in Österreich gesprochen wird. (09. Juli 2018)

KW 27/2018

Einzigst ist einzig falsch

Farbige Koffer»Das einzigste, was die deutsche Nationalelf tun kann, ist nach Hause fahren.« Diesen Satz dürfte man nach dem Vorrunden-Aus in Russland zuhauf hören. Auch wenn man der Alternativlosigkeit besonderen Ausdruck verliehen möchte: Mit einem doppelten Superlativ ist dies zumindest nicht möglich. Zwar zeichnet Adjektive aus, dass sie steigerbar sind, doch ist dies bei einzig logisch ausgeschlossen, da sich eine Singularität nicht weiter reduzieren lässt. Damit ist einzigste zwar ausgeschlossen, nicht jedoch der Ausdruck der Verstärkung bzw. der von unendlicher Kleinheit – sagen Sie doch einfach »das einzig und alleinige«. Ebenfalls nicht möglich ist übrigens die Steigerung von Adjektiven mit best-/größst-. Auch hier ist der Superlativ schon enthalten (gut – besser – best(en)), was Formen wie *bestspielendst oder *größtmöglichst ausschließt. (02. Juli 2018; Foto: Efraimstochter)

KW 26/2018

Olé! ¡Olé! Allah!

FußballarenaWas hat der weltberühmte Ausruf olé denn bitte mit Allah zu tun? Aber stellen wir die Frage erst einmal zurück und sagen etwas über die unmittelbare Herkunft von olé: Das Wort haben wir direkt aus dem Spanischen übernommen. Es ist dort ein Ausruf bei sportlichen Veranstaltungen wie Stierkampf, Flamenco oder – natürlich – Fußball und bedeutet ›los!, auf!, hurra!‹. Insbesondere beim Fußball hat sich olé ein- oder mehrfach (olé – olé, olé, olé) als Standard bei Fußball-Fangesängen durchgesetzt. Den Akzent haben wir beibehalten – das für das Spanische typische umgedrehte Ausrufezeichen vor dem Ausruf nicht nur aufgrund seiner Exotik nicht – es gehört nicht zum Wort, sondern zur Interpunktion, die grundsätzlich nicht übernommen wird. Im Spanischen wird das principio de admiración bzw. de interrogación übrigens angewendet, um einen Ausrufe- oder Fragesatz einzuleiten; dies gibt wertvolle Hinweise auf die korrekte Aussprache (Intonation), da im Spanischen nicht über die Satzstellung klar ist, ob es sich um eine Aussage oder Frage handelt (puedo cantar). Und was hat es nun mit Allah auf sich? Im Großen Fremdwörterbuch (Duden) wird als Herkunft für das span. olé das arab. wa-›llāh(ɪ̲) ›bei Gott‹ angegeben. Dazu passt, dass auch das Arabische umgedrehte Satzzeichen kennt. (25. Juni 2018)

KW 25/2018

Public Viewing

FotobeweisEndlich ist es soweit! Überall gibt es jetzt wieder öffentliche Liveübertragungen der Fußballspiele auf Großleinwänden im Freien! Wie nennt sich dies nochmal auf Neudeutsch? Genau: Public Viewing. Der Ausdruck hat sich im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 als Neologismus in der deutschen Sprache etabliert und steht seit 2007 im Duden. Seit 2011 schließlich findet man dort ebenfalls das umgangssprachlich-saloppe Synonym Rudelgucken. Der stilistisch neutrale Ausdruck Public Viewing wird im Deutschen groß- und ohne Bindestrich geschrieben. (18. Juni 2018; Foto: TravelCoffeeBook)

KW 24/2018

»Sané aus dem Kader geworfen!«

Fußball auf dem RasenWar das eine Überraschung: Sané ist in Russland nicht dabei, er wurde »aus dem Kader geworfen«. So hieß es in jeder Meldung zu Joachim Löws Entscheidung in Bezug auf die Zusammenstellung der Nationalmannschaft für die WM 2018 in Russland. Doch wird das Wort wirklich so geschrieben oder nicht eher Cader oder Quader? Das Wort begegnet uns vor allem beim Militär (in der Bedeutung ›Kerntruppe‹) und beim Sport (›Stammspieler/-sportler‹) – stets mit der Kernbedeutung ›Auslese‹. Aus dem »Kader geworfen zu werden« ist also alles andere als erbaulich. Entlehnt haben wir Kader im 19. Jahrhundert aus dem Französischen, wo es cadre geschrieben wird (von lat. quadro ›viereckig‹) – was für die C-Schreibung sprechen würde, doch ist das Wort schon viel zu lange Bestandteil der deutschen Sprache, als dass es noch nicht von der deutschen Orthografie geschliffen worden wäre. Unschönes Aper­çu für Sané: Kader trägt auch die Bedeutung ›wichtige Person(en) in Partei, Politik und Wirtschaft‹ – und diese Bedeutung ist ausgerechnet aus dem Russischen entlehnt (kadr). (11. Juni 2018; Foto: Juan Carlos Martinez)

KW 23/2018

Kristalle kaufen im »Krystall-Laden«

FotobeweisWas man wohl im »Krystall-Laden« kaufen kann? Kristalle vermutlich. Die interessante Frage ist jedoch, warum sich das Geschäft dann nicht »Kristall-Laden« nennt. Klar, bei Eigennamen kann man selbstverständlich die Schreibweise frei wählen. Ein wenig erinnert die Schreibung an das Englische »crystal«, also eventuell eine Mischung aus dem Englischen und Deutschen? Wenn wir uns die Etymologie des Wortes ansehen, finden wir aber noch eine zweite Möglichkeit: Das Wort lautete im Mittelhochdeutschen »cristalle«, im Althochdeutschen »Cristalla«, dieses wiederum wurde vom mittellateinischen »crystallum« entlehnt. Und dem lateinischen Wort »crystallus« liegt das griechische »krýstallos« zugrunde, vielleicht also hat sich der Ladenbesitzer auf die griechischen Wortwurzeln berufen?
Bleibt noch die Frage nach dem Genus. Unter dem maskulinen Substantiv »[der] Kristall« versteht man einen mineralischen Körper, also beispielsweise einen Bergkristall. »Das Kristall« dahingegen bedeutet geschliffenes Glas einer bestimmten chemischen Zusammensetzung; kollektiv werden damit auch alle Gegenstände aus solchem Glas bezeichnet. (04. Juni 2018)

KW 22/2018

Des Nachbars oder des Nachbarn Grillwurst?

FotobeweisNa, sind wieder Grillaromen des Nachbarn rübergeweht? Oder gar Wasserstrahlen der Kinder des Nachbarn? Oder heißt es der Kinder des Nachbars? Beginnen wir mit dem Plural, denn der ist unstrittig, es heißt in allen Fällen immer »Nachbarn«. Aber wie lauten die Singularformen? Auch hier ist sommerliche Entspannung angesagt: Sowohl die starke (des Nachbars, dem Nachbar, den Nachbar) als auch die schwache Deklination (des Nachbarn, dem Nachbarn, den Nachbarn) ist korrekt! Und noch eine gute Nachricht: Da im Plural ausschließlich die schwache Deklination verwendet wird, gewinnt immer mehr die schwache Deklination auch im Singular an Popularität. Übrigens: Das westgermanische Wort ist aus den Elementen »nah« und »Bauer« zusammengesetzt. Fragen Sie doch mal Ihren Nachbar oder Ihren Nachbarn, ob er weiß, wie er gebeugt werden sollte! (28. Mai 2018)

KW 21/2018

Erschrecken, erschreckt, erschrocken

FotobeweisJetzt haben Sie sich aber erschreckt, oder? Bei diesem Partizip weiß man nämlich einfach nicht, ob erschreckt oder erschrocken richtig ist – und man kann es sich auch nicht merken! Womöglich liegt das daran, dass erschrecken in drei Formen vorkommt: Das intransitive Verb (mit einem Betroffenen als Ergänzung) wird unregelmäßig flektiert und wirkt schon deshalb recht ›angestaubt‹: Ich erschrak/bin erschrocken, er erschrickt. Das transitive Verb hingegen (neben der erschreckten Person wird auch die verursachende genannt) wird regelmäßig gebildet: Du hast mich erschreckt/Erschreck mich nicht!. Und als ob dies nicht schon schwierig genug zu unterscheiden wäre, gibt es darüber hinaus noch eine reflexive Variante: sich erschrecken. Und eben hier werden beide Partizipformen verwendet: Ich habe mich erschreckt/erschrocken. Einzig hilfreich könnte da die Brücke sein, dass das reflexive erschrecken konservative Gemüter erschreckt, da es sich hierbei um eine umgangssprachliche Variante handelt. Unter Umständen wäre also bei harten Sprachpuristen eine Warnung vor dem Gebrauch angemessen: »Erschrick jetzt nicht!« (21. Mai 2018)

KW 20/2018

schuld sein oder Schuld haben?

FotobeweisBei Missständen kommt häufig die Frage auf: Wer hat daran Schuld, wer ist schuld daran? Wie sieht es mit der Groß- und Kleinschreibung aus? In der Wendung »an etwas schuld sein« wird »schuld« kleingeschrieben, da es sich um ein Wort handelt, das zwar aus einem Substantiv entstanden ist, nunmehr aber ein Adjektiv ist. Die gleiche Bedeutung, nämlich ›für etwas verantwortlich sein‹, hat auch die Wendung »an etwas (die) Schuld haben«. Hier handelt es sich bei »(die) Schuld« um ein Substantiv, das großgeschrieben wird. Das gleiche gilt für die Wendungen »jemanden (die) Schuld geben« oder »an etwas Schuld tragen«. In der Wendung »sich etwas zuschulden/zu Schulden kommen lassen« hat man die Wahl zwischen Zusammen- und Getrenntschreibung. (14. Mai 2018)

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