Wissen

Tipp der Woche: 10 Wochen im Rückblick

Rechtschreibfehler oder Schreibvarianten? Oder nur eine stilistische Variante? Wir klären wöchentlich einen Zweifelsfall auf. – Sie haben eine Frage zur Orthografie? Schreiben Sie uns, gern mit Fotobeleg der Auffälligkeit, an info@correctura.com.

KW 43/2021

Ungeheuer viele Daten: Terabyte oder Terrabyte?

Computer mit binären Daten, im Hintergrund eine GrossstadtIn unserem digitalen Zeitalter haben wir es täglich mit großen Mengen an Daten zu tun. Viele Menschen haben einen Datentarif, man muss schauen, wie viel Speicherplatz auf dem Handy oder PC noch frei ist. All unsere Daten liegen in Form von Bits und Bytes vor, wobei ein Byte eine zusammengehörige Folge von 8 Bits darstellt. Bit ist ein Kreuzwort, das aus englisch binary digit, also binäre Ziffer gebildet wurde. Doch mit Bytes lassen sich heutige Datenfluten nicht mehr sinnvoll angeben, man benötigt nicht nur Kilobytes, sondern meist mehrere Megabytes. Kilo kennt man von anderen Mengeneinheiten, bedeutet ›tausend‹, mega bedeutet ›groß‹. Ein heutiges Betriebssystem braucht heute Gigabytes (109 Bytes, Milliarde) und sammelfreudige Fotofans Terabytes (1012, Billion). Sowohl Giga- als auch Tera- stammen aus dem Griechischen, gígas bedeutet ›Riese‹, téras ›Ungeheuer‹, aber auch ›außergewöhnliches Vorzeichen‹ oder ›(Wunder-)Zeichen‹. Man schreibt also nicht Terrabyte, das Wort hat nichts mit der Erde zu tun. Tera- zeigt bei Maßeinheiten an, dass die Einheit billionenfach vorkommt; es handelt sich einfach um ungeheuer viele Bytes. Während man im alltäglichen Gebrauch mit ein paar Terabytes gut auskommt, werden auf großen Server(farme)n deutlich mehr Daten verarbeitet. Dort werden dann Petabytes, Exabytes, Zettabytes oder Yottabytes benötigt. Bei den Abkürzungen herrscht ein Wirrwarr aus kleinen und großen Präfix-Buchstaben: kB oder KB, aber lediglich MB, dafür ist auch MByte üblich. Noch mehr Unsicherheit gibt es bei der Umrechnung. Einem Kilobyte entsprechen metrisch 1000 Bytes, binär hingegen 1024 Bytes. (25. Oktober 2021; Illustration: geralt)

KW 42/2021

Genus von Abstract

Titel, Abstract und Beginn eines wissenschaftlichen ArtikelsBei wissenschaftlichen Texten findet man im besten Fall eine kurze Inhaltsangabe, die quasi die Essenz der Forschungsarbeit präsentiert, sodass man aufgrund dessen entscheiden kann, ob sich die Lektüre des ganzen Textes lohnen könnte. Der Fachausdruck dafür lautet Abstract. Das Wort stammt vom englischen Verb to abstract in der Bedeutung ›einen Auszug machen‹. Abstract kam erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Deutsche und bislang hat sich noch keines der beiden möglichen Genera durchgesetzt: Korrekt ist im Deutschen sowohl das Abstract als auch der Abstract. Tja, und dieser Tipp ist so kurz, dass er kein(en) Abstract benötigt; ein prägnanter Titel genügt. (18. Oktober 2021)

KW 41/2021

Kongruenz bei Firmennamen

Kongruenz bei Firmennamen & CoOb sich bei diesem Text jemand nicht entscheiden konnte oder die Überschrift von einer anderen Person erstellt worden ist, ist nicht erkennbar. Ablesbar ist hingegen, dass die geschlechtergerechte Sprache immer gebräuchlicher wird und dass bei Firmennamen aus gutem Grund Zweifel bestehen, ob Übereinstimmung mit dem Genus (Kongruenz) herrschen muss oder nicht. Schwierig ist es vor allem, wenn die Rechtsform ein anderes Genus und damit Gefühl vermittelt als der Firmenname ohne Rechtsform, also etwa bei Volkswagen (maskulin) und Volkswagen AG (feminin): »Volkswagen verkauft seine Anteile« vs. »Volkswagen verkauft ihre Anteile« (wegen Volkswagen AG). Bei Deutsche Bahn oder Deutsche Bahn AG ist es jedoch gleich, weshalb hier tatsächlich die feminine Form ihre gewählt werden sollte. Keine Kongruenzfrage herrscht bei Wörtern wie Mädchen, bei denen das Genus vom Geschlecht abweicht. Auch wenn jedes Mädchen weiblich ist, muss das Genus kongruieren. Also nicht: »Das Mädchen ist 8, aber sie ist es erst einen Tag«, sondern »Das Mädchen ist 8, aber es ist es erst einen Tag«. Klingt so seltsam wie der Bahn seine Busse, aber ist in diesem Fall die einzig korrekte Form. (11. Oktober 2021; Screenshot: Torsten Siever)

KW 40/2021

Und tschüss! Abschiedsworte im Deutschen

Rückspiegel eines Autos, in dem sich ein Frosch mit Koffer spiegeltWer sich im Deutschen verabschieden möchte, hat verschiedene sprachliche Möglichkeiten, dies zu tun: Während auf Wiedersehen dem Standarddeutschen angehört, gibt es andere Varianten, die weniger standardsprachlich sind. Ade und adieu gelten als veraltend und landschaftlich, die verwandte, aus dem Spanischen stammende Form adios gilt als salopp. Die aus dem Italienischen stammende Variante ciao und eingedeutscht tschau, die im Duden präferierte Schreibvariante, ist dort als umgangssprachlich und als salopp-kameradschaftlich gekennzeichnet; besonders an diesem Abschiedsgruß ist, dass das Wort zugleich auch zur Begrüßung verwendet werden kann. Servus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet «(dein) Diener», dieser Abschiedsgruß wird vor allem im Bairischen (und Österreichischen) genutzt. Schließlich kann man zum Abschied umgangssprachlich auch tschüss sagen. Aber Achtung: Während man in Deutschland sowohl zu Menschen, die man duzt, als auch Menschen, die man siezt, tschüss sagen kann, kann die Grußformel in der Schweiz nur für Personen, mit denen man per Du ist, verwendet werden. Etymologisch betrachtet handelt es sich um eine gekürzte Nebenform zum Niederdeutschen adjüs bzw. atschüs, das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts bezeugt ist. Diese Form ist wiederum auf das Spanische adiós zurückzuführen, dieses geht wie auch adieu auf lateinisch ad deum in der Bedeutung ›zu Gott‹ oder ›Gott-befohlen‹ zurück. Schreiben kann man diesen Gruß auf vier verschiedene Varianten, da man den ihn sowohl mit einem s als auch mit Doppel-s sowie groß- oder kleinschreiben kann. So sagen wir also an dieser Stelle tschüs, tschüss, Tschüs und Tschüss und bis bald! (04. Oktober 2021; Foto: Alexas_Fotos)

KW 39/2021

Freigebig oder freigiebig?

Zwei geöffnete Hände mit LichtstrahlenEs gibt Menschen, die sind großzügig im Schenken, sie sind gerne bereit, anderen etwas zu geben. Wie können diese Menschen bezeichnet werden? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: gebefreudig, spendabel, spendierfreudig oder bildungssprachlich auch generös. Außerdem können solche Menschen als freigebig oder freigiebig bezeichnet werden, doch was ist der Unterschied zwischen den beiden Adjektiven? Sprachgeschichtlich betrachtet ist freigebig die korrekte Variante; dieses Kompositum ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und enthält das Adjektiv gebig/gäbig im Sinne von ›gerne gebend‹. Freigiebig ist fälschlicherweise analog zu ergiebig, ausgiebig oder nachgiebig gebildet worden. Dies ist deshalb eigentlich nicht richtig, weil zum Adjektiv ergiebig das Verb ergeben existiert, allerdings gibt es kein Verb freigeben in der Bedeutung ›gern/reichlich geben‹. Doch das Wort freigiebig hat sich längst etabliert und ist auch lexikalisiert und entsprechend im Duden zu finden, folglich hat man zwischen freigebig und freigiebig freie Wahl. (27. September 2021; Foto: geralt)

KW 38/2021

Triell

Mittelalterliches TriellWir befinden uns in der letzten Woche vor der Wahl und vermutlich fällt vielen die Entscheidung schwerer als je zuvor. Haben hierzu die Trielle beigetragen oder haben diese eher eine Haltung verfestigt oder gar umgestoßen? Doch lassen Sie uns hier besser für das Wort Triell begeistern. Dieses ist zwar nicht neu, aber erstmals in aller Munde, obwohl es nicht einmal im Duden steht. Grund ist nicht, dass es noch nie drei Kanzlerkandidat(inn)en gegeben hätte, sondern vielmehr, dass diese heuer reelle Chancen auf das Kanzleramt haben. Bislang waren es stets zwei, weshalb es nur Duelle gab. Und dazu ist Triell auch (fälschlicherweise) analog gebildet worden. Lateinisch oder griechisch tri bedeutet ›drei(fach)‹ und ist bekannt von Trimester, Triangel oder Trigonometrie (doch, das hatten wir mal in der Schule). Der volksetymologische ›Fehler‹ besteht darin, dass Duell mitnichten aus duo + -(e)ll zusammengesetzt ist, sondern von lat. duellum ›Krieg‹ (altlat. bellum) rührt. So gesehen behandeln wir diese Woche also keinen möglichen Rechtschreibfehler, sondern einen Bildungsfehler durch falsche (Re-)Analyse. Dieser erfolgte allerdings nicht im Wahljahr 2021, sondern bereits im 16. Jahrhundert, als man sich noch mit Waffen duellierte. Gut, dass das Geschichte ist. (20. September 2021; Foto: Michael Bußmann)

KW 37/2021

More what?

more AbstandGut gemacht: Die Spielbank Hannover hat ihre Automaten auseinandergezogen. Natürlich nicht, um den Umsatz zu reduzieren, sondern die Ansteckungsgefahr. Doch warum bewirbt sie dies mit more Abstand? Warum nicht mit mehr Abstand oder augenzwinkernd mit mehr Freiheit für unsere Automaten oder more …? Ja, was denn eigentlich? Distance? Space? Dies führt uns zur 1. möglichen Ursache: eine sprachliche Unsicherheit der Werbeagentur im Englischen. Größter Spaß ist ja dann wieder sicher übersetzbar. Auch rückübersetzbar von der potenziellen Kundschaft, das ist wichtig. 2. Ursache: ein gewünschter einheitlicher Vokallaut (unser rhetorisches Kompendium spricht hier von Homöoprophoron); dann hätten aber auch Wörter wie massig Abstand und such fun prima gepasst. 3. Ursache: Es gefiel schlicht und einfach. Da wir an solchen Stellen üblicherweise auf Einheitlichkeit hinweisen, empfehlen wir diese natürlich auch hier. Diese käme allerdings auch auf, wenn man jedem Wort seine eigene Sprache gönnt, also etwa more distanza – крупнейший 乐趣. – Naja, vielleicht doch besser einheitlich deutsch. (13. September 2021; Foto: Torsten Siever)

KW 36/2021

Pizza, Pizzen, Pizzeria

Pizzen vor einem Pizzaofen mit FeuerWer keine Lust auf Tiefkühlpizza hat, geht am besten in eine Pizzaria. Moment, wie heißt der Ort, an dem man eine Pizza bestellen kann? Richtig! Pizzeria! Aber warum eigentlich, das Gericht heißt doch Pizza? Bekanntlich kommt sowohl die Pizza als auch die Pizzeria aus Italien. Und in einer Pizzeria wird nicht nur eine Pizza gegessen, sondern mehrere. Nun muss man dazu wissen, dass Substantive im Italienischen, die auf -a enden, im Plural auf -e enden, also una pizzadue pizze, also eben Pizzeria. Bleibt noch zu fragen, wie dann die Pluralform von Pizza im Deutschen lautet. Hier hat man die Wahl zwischen drei verschiedenen Formen: Die italienische Variante Pizze ist korrekt, üblicher sind jedoch Pizzas oder Pizzen. Schließlich gibt es natürlich auch in vielen Städten nicht nur eine Pizzeria, sondern mehrere. Auch hier hat man die Wahl zwischen zwei korrekten Pluralformen: Pizzerias und Pizzerien. Na, und wer hat jetzt Lust auf eine Pizza? (06. September 2021; Foto: SalvatoreMonetti)

KW 35/2021

Zurück aus nah und fern

Zwei Frösche mit Gepäck neben einem GlobusAn manchen Orten sind die Sommerferien schon vorüber, an manchen Orten enden sie bald. Auf alle Fälle kehren alle aus nah und fern zurück zur Schule, in der sie wieder viel Neues lernen können. So zum Beispiel, dass in festen adverbialen Wendungen mit Präposition wie aus nah und fern oder durch dick und dünn die nicht deklinierten, artikellosen Adjektive kleingeschrieben werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Schulen diesen Herbst und Winter besser gerüstet sind bezüglich des Coronavirus, sodass sie nicht über kurz oder lang wieder schließen oder die Schülerinnen und Schüler in Quarantäne schicken müssen. In substantivisch gebrauchten Paarformeln ohne Präposition werden nicht deklinierte Adjektivformen dahingegen großgeschrieben: Jung und Alt, Arm und Reich oder Gut und Böse. Und jetzt aufgepasst: Wenn solche Paarformeln geläufig sind und keine feste Präposition bei sich haben, ändert sich nichts an der Großschreibung, wenn eine beliebige Präposition hinzukommt: Es heißt also für/mit Jung und Alt und jenseits von/über Gut und Böse. (30. August 2021; Foto: Alexas_Fotos)

KW 34/2021

Im Gehege

Waschbär, der seine Nase durch ein Gehege nach draussen stecktDer arme Waschbär, er befindet sich in einem Gehäge! Oder doch in einem Gehege? Das Wort Gehege stammt vom Wort Hag ab. Hag wird in der Schweiz in der Bedeutung ›Zaun‹ verwendet, das Wort geht auf mittelhochdeutsch hac zurück, das einerseits ›Dorngesträuch‹ und ›Gebüsch‹, aber andererseits auch ›Einfriedung‹, ›Umzäunung‹ und ›Gehege‹ bedeutete. Tatsächlich schrieb man denn auch im 18. und 19. Jahrhundert Gehäge, doch heutzutage ist nur noch die Schreibung Gehege korrekt. Übrigens: Sprachschützer wollen ihre Sprache hegen und pflegen. Hegen, man ahnt es fast schon, ist eine Verbalableitung von Hag, es bedeutet also ›mit einem Hag umgeben‹. Und genau dies wollen Sprachpuristen: Sie umgeben »ihre« Sprache mit einem Zaun, einer Art Schutzwall, der vermeiden soll, dass beispielsweise Anglizismen in die Sprache »eindringen«. Auswandern dürfen sie aber schon. (23. August 2021; Foto: MichaelGaida)

KW 33/2021

Einen Obolus für jeden »Obulus«

Bratspieße über Grillrost und darunter eine Sammlung von MünzenObolus wird so häufig falsch geschrieben, dass im Duden tatsächlich die falsche Form Obulus aufgeführt ist. Ursprünglich wurde damit eine kleine altgriechische Münze bezeichnet, heute ist es ein (eher bildungssprachlicher) Ausdruck für ›kleinerer Betrag‹ oder ›kleine Geldspende‹. Das Substantiv wird im Deutschen seit dem 18. Jahrhundert verwendet, man findet es häufig in den Wendungen einen Obolus entrichten oder gegen einen kleinen/geringen Obolus. Das Wort geht zurück auf das lateinische obolus, das wiederum auf das griechische Wort obolós zurückgeht. Dabei handelt es sich um eine mundartliche Form von obelós, was so viel wie ›(Brat-)Spieß‹ bedeutet. Es wird vermutet, dass die ersten Münzen dieser Art kleine, spitze Metallstücke waren, die einem Spieß glichen. Die Pluralform lautet übrigens wahlweise Obolus ohne Endung oder Obolusse, der Genitiv ist ebenfalls endungslos. Tja, und mit welcher Eselsbrücke kann man sich nun die Schreibung merken? Die ersten beiden Vokale sind so rund wie zwei Münzen und mit etwas Fantasie kann das u in der dritten Silbe als zwei verbundene Spieße interpretiert werden. Bekämen wir jedes Mal einen Obolus, wenn jemand Obulus schreibt, hätten wir sicherlich bald einen großen Geldbetrag zusammen und könnten unseren Beruf an den Spieß, ach nein, an den Nagel hängen. (16. August 2021; Foto: PublicDomainPictures und image4you)

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